die wahrheit: Kaiserdämmerung

Heute Abend beginnt wieder der Bundesliga-Irrsinn, und einige Fragen müssen noch geklärt werden, zum Beispiel...

Seine Tätigkeit als Hausgott des FC Bayern wird Beckenbauer demnächst einstellen. Bild: ap

... Will Franz Beckenbauer in den letzten Monaten seiner Tätigkeit als Hausgott des FC Bayern klar machen, dass der FC Hollywood auch nur von gemeinen Erdlingen beherrscht wird? Erst zertrümmerte der wilde Kaiser den mühsam erbauten goldenen Käfig, der Franck Ribery am Abflug nach Madrid hindern sollte, dann brach er eine Lanze dafür, dass die defensive Nachwuchskraft Holger Badstuber an der U20-WM teilnehmen darf, obwohl Wurstmaxe Uli Hoeneß und Kim Il McRummenige, der Weltmarkenbeauftragte an der Säbener Straße, den hoffnungsvollen Innenverteidiger für unabkömmlich erklärt hatten.

Vielleicht ist es ja das Trauma vom Fliegenden Holländer: Der Widergänger von Johan Cruyff, Bayerns neuer Trainer Louis van Gaal, muss vergrault werden, weil der die Mannschaft spielen lassen möchte wie das Oranje-Team damals 1974. Ein klarer Fall von Hochverrat, der nur durch konsequente Querfront-, pardon: Querpassstrategie verhindert werden kann.

Über die Probleme bei der Nachfolgeregelung in mittelständischen Unternehmen könnte man Doku-Soaps drehen, die die Orestie wie einen Kindergeburtstag aussehen lassen, aber wenns beim Branchenführer knistert, leckt sich das Publikum besonders intensiv die Lefzen: Hurra, es gibt Nibelungenhaschee, und das auch noch im Free TV. So oder so wird Bayern ohne Beckenbauer nur noch ein Verein unter vielen sein, deren behäbiger Spielaufbau beim zweitklassigen Torwart beginnt.

Mit dem sicheren Instinkt für große Momente hat der DFB als Eröffnungsspiel die Partie Wolfsburg gegen Stuttgart angesetzt. Zwei Wochen nach dem Kantersieg von VW gegen Porsche folgt jetzt also das Rückspiel. Muss der VfB mit dem VfL fusionieren, wenn er verliert? Bekommt Wendelin Wiedeking eine zweite Chance als Leiter des Wolfsburg-Fanshops?

An den Krisengewinnlern sollte sich die Bundesliga sowieso ein Beispiel nehmen: Wäre es nicht erforderlich, die Bundesliga auf 30 Vereine aufzustocken, und jedem Verein ein DAX-Unternehmen als Hauptsponsor zuzuweisen, um die himmelschreiende Ungerechtigkeit zu beseitigen, dass es in anderen Ländern Klubs gibt, die mehr Geld haben? Real Madrid kauft Spieler, als gäbe es kein Haustürwiderrufsgesetz, beinahe so wie Borussia Dortmund vor einigen Jahren. Einfach abscheulich.

30 Vereine, das wären dann 58 statt 34 Spieltage. Sommer- und Winterpause würden abgeschafft, es gäbe nur noch englische Wochen. Die Telekom würde den Bonner SC in die Champions League hieven und Beiersdorf könnte dem HSV auf die Sprünge helfen, der den kürzlich gefeuerten Manager Dietmar Beiersdorfer natürlich als organisches Maskottchen sofort wieder einstellen müsste.

Müsste, Wenn und Aber haben im Fußball jedoch nur im Phrasenschwein ihren Platz, weshalb die sportlichen Aspekte hier nicht vernachlässigt werden sollen. Mit Nürnberg und Freiburg anstelle von Cottbus und Bielefeld zeigt sich die Bundesliga spielerisch stark verbessert. Die Zweite Liga kann ihr altes Niveau nur wieder erreichen, wenn sie beide Absteiger sofort in die Dritte Liga weiterreicht.

Mainz ohne Offensive ersetzt den KSC ohne Offensive. Die Meenzer haben ihren Aufstiegstrainer Andersen noch vor dem ersten Spieltag gefeuert, ein kluger Schachzug, der das Alleinstellungsmerkmal "Karnevalsverein" noch deutlicher herausarbeitet. Als Absteiger bieten sich außerdem die Jecken aus Köln und von Hertha BSC an, die in der Relegation hoffentlich auf Eisern Union Berlin treffen, zum Rumble in the Jungle, also zum Rückspiel in der Alten Försterei in Köpenick.

Und wer wird Meister? Nürnberg mit dem torgefährlichsten Mittelfeldspieler Europas, Marek Mintal? Schalke mit dem 32-Tore-Knipser Kevin Kuranyi? Leverkusen mit der Lichtgestalt Osram Heynckes auf dem Trainerstuhl? Oder gar Frankfurt, die unter der kundigen Hand von Michael Skibbe von der Diva zur Drecksau mutierten Schlabbekicker um Iron Maik Franz und Aragorn Ioannis Amanatidis? Oder hat die Ära Wolfsburg schon begonnen? Müssen wir jetzt jahrein, jahraus Absatzkicktore von Grafite bewundern und Scorerpunkte von Zwetschge Misimovic zählen?

Eines jedenfalls ist sicher: Für das Bundesliga-Abo beim umbenannten Bezahlfernsehsender Premiere soll man jetzt fast doppelt so viel zahlen. Bei Sky kostet die Bundesliga mit dem Experten Franz Beckenbauer allerdings genauso viel wie das Internet-Angebot "Liga total" der Telekom. Dazu gibt es dann als Moderator Johannes B. Kerner, der dort wahrscheinlich demnächst ausrufen wird: "Wollt Ihr die totale Liga?" Nein, bitte nicht!

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.