die wahrheit: Kein Platz in der Herberge

Woran erkennt man ein Polizeiauto? An Blaulicht und Sirene vielleicht? Der Polizei der schottischen Grenzregion Lothian war das nicht markant genug...

Woran erkennt man ein Polizeiauto? An Blaulicht und Sirene vielleicht? Der Polizei der schottischen Grenzregion Lothian war das nicht markant genug. So gab man 120.000 Pfund für ein neues Logo aus, das jetzt auf Autos, Uniformen und Briefpapier prangt. Mehrere Paletten des alten Briefpapiers kamen in den Altpapiercontainer, weil das Abzeichen den Beamten zu altmodisch schien.

"Ein Firmenimage für das 21. Jahrhundert", prahlte die Behörde, doch der einfache Bobby ist nicht sonderlich begeistert. "Sie sind närrisch", sagte einer, der lieber anonym bleiben wollte. "Wir sind die Polizei, wir fahren Polizeiautos und Polizeimotorräder, wir tragen Polizeiuniformen. Wie viel mehr Corporate Identity brauchen wir denn?"

Das alte Logo zeigte zwei Löwen, die das Andreaskreuz aus blau-weißen Karos flankierten. Das neue Design soll die "Schutzfunktion der Polizei und die geografische Lage" der Grenzregion symbolisieren: Es ist ein Kreuz aus blau-weißen Karos, das in eine geschwungene Fläche - die vermutlich England darstellen soll - hineinragt. Will man ins südliche Nachbarland einmarschieren? Der Experte für Handelsmarken, Jonathan Gabay, meinte, das Logo würde genauso gut zu den Wasserwerken passen.

Zum neuen Abzeichen gibt es ein passendes neues Motto: "Arbeitet mit uns." Das klinge wie ein Spruch aus einem chinesischen Glückskeks, höhnte die Bezirksverordnete Marilyne McLaren. Gabay fügte hinzu, das Motto höre sich nach Verzweiflung an - etwa in der Art: "Entschuldigung, ich hoffe, sie haben nichts dagegen, wenn wir sie jetzt festnehmen."

Aber die schottische Polizei kann ja eigentlich niemanden festnehmen, und zwar aus Platzgründen. Die Zellen auf den Revieren sind voll, und das Geld für infrastrukturelle Maßnahmen wird für neue Logos ausgegeben. So müssen die Beamten, wenn sie jemanden verhaftet haben, wie Bettler von Revier zu Revier fahren, bis sie eine freie Zelle gefunden haben. Meistens gehe es ihnen wie Joseph und der schwangeren Maria, meinte der Generalsekretär des Schottischen Polizeiverbands, Joe Grant: "Kein Platz in der Herberge." John Wilson, der Abgeordnete der Schottischen Nationalen Partei SNP, sagte: "Das erinnert mich an den Londoner Flughafen Heathrow, über dem die Flugzeuge kreisen müssen, bis eine Landebahn frei ist."

Manchmal fahren die Polizisten mit ihren unfreiwilligen Passagieren einfach ziellos in der Gegend herum. Oder sie umrunden ihr Polizeirevier stundenlang in der Hoffnung, dass ihnen die Kollegen die Zelle nicht wegschnappen, wenn eine frei geworden ist. In vielen Fällen stehen die Beamten sogar vor geschlossenen Revieren, weil die aus Kostengründen nur noch halbtags geöffnet haben.

"Das ist alles ziemlich ineffizient", meinte Grant mit britischem Understatement. "Wenn du einen Gefangenen hast, sind zwei Beamte beschäftigt. Die fahren zum ersten Polizeirevier. Wenn das voll ist, fahren sie zum nächsten. Ist auch das voll, geht es weiter zum nächsten. So sind sie die halbe Nacht unterwegs."

Zumindest in Lothian fahren sie aber in Polizeiautos mit schickem neuem Logo herum. Vielleicht entwickeln sie ja dadurch eine neue Corporate Identity.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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