die wahrheit: Lob des Herbstes

O Herbst, du farbenprächtigste und wundervollste aller Jahreszeiten, dich zu preisen ist es wahrlich höchste Zeit.

Denn du, Herbst, wärmst uns nicht nur mit leckerem Kakao und wohligen Wollsocken, du bist auch der Überwinder der grauenhaftesten Jahreszeit, des schrecklichen Sommer, den wir nur zu gern im Orkus der Geschichte verschwinden sehen würden.

Ist der Sommer doch die Zeit des Schweißes, der bei jeder Gelegenheit und der kleinsten Bewegung zu rinnen beginnt und sich vom Rinnsal zum Strom entwickelt, bis unsere Körper in dampfende Sumpfgebiete verwandelt sind. Und ist der Rücken erst nass, dann gerät er in eine Zugluft und schon ist der Hexenschuss da - das ist der Sommer.

Der Sommer aber ist auch die Zeit des nicht enden wollenden Durstes, der die Kehle austrocknet wie in einem Italowestern, in dem das Böse immer dann auftritt, wenn die erbarmungslos glühende Sommersonne jeden Tropfen Wasser hat verdampfen lassen.

Der Sommer aber ist auch die Zeit des Wartens. Nichts tut sich, die meisten Menschen sind fort, alles ist leer, selbst der Kopf. Was bleibt, ist auf bessere Zeiten zu warten, den Herbst, unsere Jahreszeit. Denn selbstverständlich sind wir nicht im Sommer, sondern im Herbst geboren.

Der Sommer aber ist auch die Zeit der Wecker an den offenen Fenstern. Denn nicht nur die irrsinnigen Vögel beginnen bereits beim ersten Sonnenstrahl am Morgen zu kreischen wie eine Kreissäge, nein, auch der Wecker des Nachbarn, der in den Urlaub gefahren ist, aber das auf sechs Uhr morgens eingestellte Höllengerät vergessen hat.

Der Sommer aber ist auch die Zeit der entsetzlichen Entblößungen. Der Mensch ist der schönsten Geschöpfe eines nicht, aber glaubt es von sich, und so präsentiert er aller Welt im Sommer Quellbäuche und Hornhäute, Weißwaden und Hammerzehen, Hängeeuter und Männertitten.

Damit, Herbst, ist jetzt endlich Schluss! Dank deiner Kraft und Stärke, die einen angenehm kühlen Wind durch die Straßen unserer Städte und durch manch ungelüftetes Oberstübchen wehen lässt. Du vertreibst den Muff des Sommers und präsentierst uns wieder menschliche Wesen, wo eben noch fleischige Schweine herumtrotteten.

Für all das, leiblicher Herbst, sind wir dir unendlich dankbar und hoffen wie in jedem Jahr, dass auf ewig deine Zeit anbricht. Du hättest es ehrlich verdient.

Nur eins, Herbst, können wir dir nicht verzeihen: Dass du die Sozialdemokratin Andrea Nahles dazu gebracht hast, ein Dirndl anzuziehen. Zur Eröffnung des Berliner Oktoberfestes erschien der ewige Frischling der SPD jetzt als Frau Wutz mit einer original bayerischen Tracht und dem passenden Vorbau. Bislang mussten wir schon das ganze Jahr lang Andrea Nahles sprechen hören, diese Königin der sozialdemokratischen Verzagtheitssprache. Doch wo sie nichts zu sagen hat, müssen andere Argumente her. Und so versucht es die alte Tante des Jungseins nun mit einem Dekolleté. Ganz nach dem Vorbild der Kanzlerin, die auch schon mal einen Ausschnitt der weiblichen Wirklichkeit präsentierte.

Das, lieber Herbst, lässt tief blicken. Wir aber wollen es nie, nie, nie wieder sehen!

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kari

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