die wahrheit: Rapper leben gefährlich

Er steht im Brennpunkt, denn alle wollen sie Bushido Böses. Die gesellschaftliche Verrohung setzt dem unbescholtenen Sprechliedermacher arg zu.

Immer in höchster Gefahr: Grausame kleine Mädchen verfolgen und quälen den wehrlosen Bushido. Bild: ap

Laut Medienberichten wurde der Rapper Bushido am Neuköllner Hermannplatz von drei Unbekannten bedroht. Ein nicht genannter Anrufer habe über Notruf die Polizei informiert, die daraufhin die Männer festnahm. Alle drei waren unbewaffnet.

Da scheint der kleine böse Mann ja mächtig Angst bekommen zu haben, so weit weg von seinem Lichterfelder Vorgartenidyll. Dort kennt er sich aus und kann schnell das Gartentor zumachen, wenn einer kommt, und sich hinter der Hollywoodschaukel verstecken, während der Rauhaardackel die Angreifer am Zaun verbellt. Der Hermannplatz ist hingegen nicht seine Hood, doch zum Glück ging es ja gerade noch einmal gut, weil die Polizei so schnell gekommen ist. Sonst hätte ihn am Ende noch einer geschubst, und dann hätte es womöglich Tränen gegeben, an einem Ort, an dem sich Tag für Tag Schulmädchen von mehr als drei Unbekannten wie selbstverständlich anhören müssen, dass sie Fotzen seien, die mal wieder richtig durchgefickt gehörten.

Verhätschelte Stadtkinder, die jedes Scherzwort auf die Goldwaage legen, sind das eine - pogromartige Terrorattacken gegen einen sensiblen Kulturschaffenden jedoch das andere: Völlig legitim legt die Presse endlich mal den Finger auf diese schwärende Wunde im Fleisch Berlins.

Da hat ein Redakteur echtes Gespür bewiesen, denn der eigentliche Skandal liegt in der völligen Wehrlosigkeit des Opfers. Ähnlich wie bei der Meldung "Rollstuhlfahrer umgeschmissen und die Brille geklaut" beruht der übergeordnete Wert der Botschaft weniger auf der Schwere des tatsächlich erfolgten Verbrechens, sondern auf der signifikanten gesellschaftlichen Verrohung, die sich durch die Tat beweist: Ein unbescholtener und argloser Sprechliedermacher ist nicht mal mehr in der Dunkelheit des hereingebrochenen Abends und an einem der anerkannt friedlichsten Plätze der Stadt sicher.

Bestimmt schlenderte Bushido, ein niedliches riesengroßes Amselküken, wie man ihn eben so kennt, nichts ahnend über den idyllischen Hermannplatz, schnatterte den Entgegenkommenden freundlich ein paar Zeilen aus einem seiner Lieder entgegen, "Keiner von euch Homos ist was wert, hier kannst du den Bordstein fressen, ich mach dich Spast kaputt?", und wie aus dem Nichts entwickelte sich daraus auf einmal "ein verbaler Streit" wie weiter zu lesen ist. Eine ganz üble Geschichte. Wie, so stellen sich Autor und Leser zwischen den Zeilen nun völlig zu Recht die Frage, soll es dann erst weitergehen?

Folgendermaßen. Am Folgetag blockiert ein hysterischer Anrufer zwei Stunden lang sämtliche Leitungen von Polizei, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk. Ein gefährlich aussehender Mann in karierten Kniebundhosen sei "gemein" zu ihm gewesen. Sofort rücken sieben Löschzüge zum Frohnauer Falkenplatz aus, doch beim Eintreffen ist der Aggressor längst geflüchtet. Die Rettungskräfte treffen in einer Grünanlage lediglich noch den leichenblassen Bushido an, der aus Notwehr mit Kanonen auf Spatzen schießt.

Nur wenig später ereilt das Innenministerium bereits der nächste Hilferuf. Völlig aufgelöst stammelt der gerade von der Gestalttherapie gekommene Rapper in den Hörer, eine Schülerin habe ihm, der bis auf vier Bodyguards allein gewesen sei, vor dem Eingang einer Elitekindertagesstätte mitgeteilt, er sei "eine Fotze, die durchgefickt" gehöre. Zahlreiche Hundertschaften eilen dem bedauernswerten Opfer zu Hilfe und liefern sich mit dem kleinen Mädchen ein mehrstündiges Feuergefecht, das unentschieden endet.

Wie gefasst Bushido auf die Nachricht reagiert, dass seine Sicherheit auch in Zukunft nicht garantiert werden könne, beweist, was für ein harter Knochen der 31-jährige Deutschtunesier ist. Schon nach kurzer Behandlung mit Riechsalz erlangt er das Bewusstsein wieder und kann aus eigener Kraft zurück nach Lichterfelde gefahren werden. Hut ab!

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kari

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