die wahrheit: Verpisst euch, Gesundheitler!

Eine Widerrede gegen das schändliche und aufdringliche Volk der Nichtraucher

Plakat mit qualmender Marlene Dietrich auf einer Raucherdemonstration am 27. 10. 2007 in Frankfurt. Bild: ap

Verpisst euch! Lasst mich, lasst uns einfach in Frieden. In Ruhe. Kapiert?

Seit dem 1. Oktober ist in Hessen ein Gesetz in Kraft, das angeblich dem Schutz der Nichtraucher dient. Seither hause ich, der seit 1989 in einer der schönsten Städte Europas lebt, in Frankfurt am Main, in der Isolation. Ich habe die Nase derart voll, dass es nicht einmal ein HNO-Professor zu beschreiben vermag. Lasst uns in Frieden. In Ruhe. Ihr Niedertrachtsmuffel. Ihr verklemmten Kinderkrippeneinrichter. Ihr autoritätsfixierten Staatsverehrer. Ihr lebensfeindlichen, nervtötenden Nannys. Ihr Zwangswiderlinge. Ihr Kotzbrocken, die ihr die Pläne Hitlers zur Abschaffung des Rauchens vollendet. Ihr seid schon: sagenhaft!

Ich wohne im Frankfurter Gallusviertel. Hier treiben sich vorbildlich viele Ausländer herum, man quakt auf der Straße, sabbelt am Tresen, gibt sich gegenseitig Biere aus und bietet sich Zigaretten an. Vorbei. Drei meiner Stammkneipen liegen in Laufweite: der "Lokalteil", das "Kyklamino", das "Weinstein". Leergefegt. Ende. Nichts geht mehr. Elke, eine meiner Lieblingswirtinnen, eine ausgesprochen moderate, freundliche Person, sagt: "Ich halte höchstens noch zwei Monate durch." 90 Prozent Einkommenseinbußen. Wo seid ihr, ihr Mütter mit Kindern, die ihr, aufatmend und begeistert, die Stromrechnungen von Elke begleicht? Wo seid ihr, ihr Frankfurter Grünendeppen, die ihr jetzt für ... - ja, wofür eigentlich sorgt?

Ich kenne keinen Raucher, der darauf beharrte, auf Ämtern, in Restaurants, in Theatern oder sonstwo immerzu qualmen zu dürfen. Der Spießerruf nach "Freiheit" (vom Rauch) aber hat sie erledigt: die letzten Refugien einer Öffentlichkeit, jener sogenannten Einraumkneipen, in denen noch unreglementiert argumentiert, unbedrängt beieinandergesessen werden konnte, dumm herumgeschwätzt wurde, wo die Wurst vom Teller flog. Jetzt habt ihr, ihr Asozialen, eure Welt: eine Welt ohne Kneipe.

Ich lass mir ja eine Menge gefallen, ich bin ja nicht Stalin. Ich lass mir all den täglich von unseren immer topdooferen Sau-Medien, von RTL und Sat.1 und den unermesslich inferioren Agentur- und Printschwachmaten ausgekübelten Hirnbrei gefallen. Ich nehme es hin, dass es einen österreichischen Scharlatan wie den öffentlich-rechtlich gemästeten "Gesundheitsexperten" Hademar Bankhofer und einen Papst und einen auch sehr tollen und sehr notwendigen Islam sowie anderweitige hervorragende Aberglaubenskaspervereine gibt. Und dito die Tatsache, dass die weltweit organisierte obszöne Kapitalistenbande ungehindert diesen schönen Planeten zu Klump wirtschaftet, die Regenwälder abbrennt, die sibirische Tundra vernichtet, die afrikanischen Weiten zerstört, dass diese Generalverbrecher das "Weibchen" (Lichtenberg) Erde verwüsten und verheeren - auch das muss ich hinnehmen, sonst werd ich ja narrisch und spucke am Ende noch diesen Zombie Sabine Bätzing an, diesen SPD-Lauterbach und das ganze feist-dreiste Pack, das nichts weiß von Freude, von Zusammenkunft, von Geselligkeit jenseits der Zwänge, die ihre brunzblöde Bürokratenwelt uns am liebsten vor dem morgendlichen Erwachen auferlegen will.

Aber jetzt: reicht es! Es langt! Schluss! Weg mit diesen Pennern, diesen Nichtraucherirren, die sich wahrscheinlich jetzt, in diesem Augenblick, auf ihre Gesetze gehörig was einbilden und fett grinsend einen Orangenbuttermilchcocktail darauf heben, die Kultur der Kneipe ausradiert zu haben. Ihr seid: Spitze! Heil euch allen!

Bislang hat es die Nasa nicht fertiggebracht, einen Arschgeigenplanet auszukundschaften oder einzurichten. Macht es! Bitte. Und wenn er steht oder halt einfach endlich mal da und vorhanden ist, dann: Rauf mit ihnen! Alle gehören sie hinauf auf den Arschgeigenplaneten, die Verödungsfanatiker, die linksdrehenden Schimmelkäsekulturarbeiter, die Selbstgefälligkeitsonanisten. Rauf mit ihnen auf den Arschgeigenplaneten! Verpisst euch! Macht euch aus dem Staub! Macht euch vom Acker! Geht in eure Supersushibars, und lasst uns in Frieden, ihr miesen Kniessäcke.

Mein Stammwirt Apollo sagt: "Ich beantrage Hartz IV." Früher ... - was heißt hier früher? Vor nicht mal vier Wochen haben wir bei Apollo mitunter bis fünf, sechs Uhr morgens gehockt, die Gitarren wurden ausgepackt, die Gesänge wirbelten durch die kleine Gaststätte, die Damen tanzten arschschön auf den Tischen, der Zigarettenqualm lachte. Ja, der Rauch lachte. Aus. Vorbei.

"Ich hab einen Dauerhals", sagt Andreas, der das wunderbare Lokal "Klabunt" in Frankfurt-Bornheim führt. "Ich gebe uns noch sechs Wochen. Es kommen noch drei Gäste pro Abend, und die wollen einen Ayurveda-Tee." Frau Bätzing aber, diese Drogengans aus Berlin, möchte just "jugendliche Testkäufer" einsetzen, um den desaströsen Verkauf von Alkohol an unsere hoffnungsvolle Volksnachkommenschaft zu unterbinden. Ach, nicht mal der Führer hätte sich solch ein prächtig prangendes Denunziantentum erträumt.

Ich sage es, ja, sage es noch mal: Lasst uns, lasst mich in Ruhe. Lasst uns leben, ihr elenden Moralfaschisten. JÜRGEN ROTH

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kari

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