Schulreform-Gegner in Hamburg: Der undurchsichtige Verein

Die Reformgegner von "Wir wollen lernen" legen nicht offen, wer sie durch Spenden unterstützt. Als Interessenvertreter der Privilegierten jedoch will die Truppe keinesfalls gesehen werden.

Walter Scheuerl. Bild: dpa

HAMBURG taz | Eines will Walter Scheuerl, Frontmann der Elterninitiative "Wir wollen lernen", auf jeden Fall vermeiden: dass er und seine Mitstreiter als Anwälte der Privilegierten wahrgenommen werden. "Wir sind keine elitäre Bürgerinitiative", betont Scheuerl. Mit Radiospots, Plakaten und Veranstaltungen zieht "Wir wollen lernen" gegen eine verlängerte Grundschulzeit zu Felde. Eine solche Kampagne ist nicht billig. Klaus-Dieter Schwetscher, ein Hamburger Ver.di-Funktionär, hat einige Bürgerentscheide mitorganisiert: "Über 200.000 Euro kostet die Kampagne von ,Wir wollen lernen' schon, da bin ich mir ganz sicher."

Die Bürgerinitiative bleibt den Beweis schuldig, dass es ihnen um mehr geht als die Erhaltung "ihrer" Gymnasien. Zudem hat sie sich entschlossen, die für Bürgerentscheide geltenden Transparenzkriterien zu unterlaufen. Niemand weiß, wer die sechsstellige Summe für ihre Kampagne bezahlt. Und niemand soll es wissen.

Zwei Monate nachdem er die Elterninitiative gegründet hatte, hob der Anwalt Walter Scheuerl einen Zwillingsverein aus der Taufe: Der "Förderverein für bessere Bildung in Hamburg" wurde am 11. Juli 2008 in das Vereinsregister eingetragen. Zweck des Vereins laut Satzung: Unterstützung der Volksinitiative "Wir wollen lernen!".

Die Reform: In Hamburg sollen in der Primarschule alle Kinder gemeinsam bis zur 6. Klasse lernen. Das ist das zentrale Projekt der schwarz-grünen Koalition. Danach gehen Kinder aufs Gymnasium oder auf die Stadtteilschule. Die Initiative "Wir wollen lernen" hat 2009 für die Erhaltung der Gymnasien ab der fünften Klasse 185.000 Unterschriften gesammelt. Schwarz-Grün verhandelte mit der Initiative über einen Kompromiss - ergebnislos. Am Sonntag sollen die Hamburger abstimmen. Stimmen mehr als 247.000 dagegen und ist dies die Mehrheit, wird die Reform gestoppt. Erwartet wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Nach dem erfolgreichen Volksbegehren im Mai, das den Weg zum Volksentscheid über die Schulreform freimachte, veröffentlichte die Initiative recht schnell den geforderten Rechenschaftsbericht. Darin müssten laut Hamburger Volksabstimmungsgesetz alle Spender mit Namen und Adresse aufgelistet werden, die mehr als 2.500 Euro gaben. Doch einziger Spender ist: der Förderverein. Er hat seit 2008 über 240.000 Euro an Spenden eingesammelt. Davon, so viel verraten die Bürgeranwälte, stammen rund 225.000 Euro von Privatpersonen.

"Das hat es noch nie gegeben, dass jemand so eine Tarnorganisation gegründet hat", empört sich Angelika Gardiner über die "ausgebufften Anwälte" von "Wir wollen lernen". Sie arbeitet für "Mehr Demokratie" in Hamburg, einen Verein, der seit 13 Jahren Bürgerinitiativen unterstützt und berät.

Verschleierung von Spendern? Walter Scheuerl wischt den Vorwurf beiseite: "Wir tragen allen gesetzlich und durch Verordnungen vorgesehenen Transparenzkriterien vollständig Rechnung", sagt er. Rechtlich sei nichts zu beanstanden, bestätigt Landeswahlleiter Asmus Rösler. "Die Initiative hat dem Wortlaut Genüge getan."

Gefragt, wieso Hamburger Chefärzte und Unternehmer namentlich gegen die Reform auftreten, aber finanzielle Unterstützer im Hintergrund bleiben sollen, verweist Scheuerl auf den Gegner: "Wir haben viele Lehrer und Spender mit Genehmigungsinteressen. Die kämen in Schwierigkeiten, sobald Grüne und Linke den Rechenschaftsbericht in die Hände bekommen." Das Geld komme aber überwiegend von Kleinspendern, sagt Scheuerl.

Einer ist der Hamburger Kaufmann Klaus Heinemann. Die Gebrüder Heinemann sind ein alteingesessener Familienbetrieb und betreiben unter anderem Duty Free Shops auf Flughäfen. Er habe knapp 2.500 Euro gespendet, sagt Heinemann auf Anfrage. Sein Engagement sei aber rein privat.

Die Gegenseite, der Verein "Die Schulverbesserer", der für die Schulreform wirbt, hat nach Angaben von Pressesprecher Peter Zolling rund 150.00 Euro in der Kasse. Wie viel "Wir wollen lernen" für die Erhaltung der Gymnasien ab der fünften Klasse am Ende tatsächlich ausgegeben hat, wird man nach dem Volksentscheid wissen. Wer die Spender sind, nicht.

"Die haben eine rechtliche Lücke ausgenutzt", sagt Farid Müller, Bürgerschaftsabgeordneter der GAL und Mitglied im Verfassungsausschuss. "Die wollen wir jetzt mit Blick auf künftige Volksentscheide schließen."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.