Bachelorgipfel: Die Bologna-Reform gerät zur Farce

Einstudierte Texte, peinliche Auftritte, verspielte Dramatik: das erste gemeinsame Treffen von Bildungsministerin und Studierenden war eine schlechte Show.

Gegenveranstaltung zur Bologna-Konferenz: In der HU Berlin. Bild: ap

BERLIN taz | Der Mann auf der Bühne holt gerade aus zur ganz großen Geste: "Das ist eine Show, Frau Schavan", schmettert er zum Publikum herunter. "Wir lassen uns nicht mit 2 Milliarden Euro abspeisen. Reden wir endlich auf Augenhöhe." Sein Blick nagelt die Frau im roten Jackett fest, die in der ersten Reihe sitzt. Er fegt sein Schild "Ben Stotz" auf dem Konferenztisch beiseite und ersetzt es durch ein gelb leuchtendes "Konferenz KritikerIn". Dann geht der 29-Jährige ab, hat aber sein Handy vergessen, muss also zurückkehren, strauchelt auf der Treppe, bückt sich, entblößt eine ansehnliche Fläche weißer Haut. Und geht wieder. Ratlose Blicke des Publikums. Verpatzte Inszenierung.

Dabei eignete sich die Vorlage so gut zur dramatischen Verfremdung. Im Wintersemester hatten frustrierte Studierende wochenlang gestreikt: für ein Studium generale, welches im Zuge des Bologna-Prozesses oft von verschulten Bachelor-Studiengängen ersetzt worden war, für freien Zugang zum Master und für ein Recht auf Bildung überhaupt.

Sie besetzten Hörsäle und blockierten Straßen und Bürgersteige. Auf dem Höhepunkt der Proteste sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) ein Treffen zu: Politiker, Studierende und Hochschulvertreter sollten sich gemeinsam an einen runden Tisch setzen. Schavan verlegte den Gipfel sogar in die Vorlesungszeit, damit möglichst viele Studierende teilnehmen konnten.

Doch der ursprünglich geplante runde Tisch ist nun zu einem langen Podium mutiert, mit etlichen Stuhlreihen davor und drei Saalmikrofonen. Auf dem Podium reden zum Ärger einiger Bildungsstreikaktiver auch Wirtschaftsleute und Vertreter des Rings Christlich Demokratischer Studierender und der Liberalen Hochschulgruppen, die dem Bildungsstreik nie etwas abgewinnen konnten. Auch die Themenpalette ist schmaler.

Seit Februar waren Studierende im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein und aus gegangen. Hatten in Arbeitsgruppen Vorschläge ausgearbeitet und sich dabei eine ganze Reihe von Themen abverhandeln lassen. "Wir wollten hier schließlich nicht zwei Stunden über Studiengebühren diskutieren", erzählt Schavans Chefunterhändler Peter Greisler.

Schon im Vorfeld grummelten vor allem Studierende linker Hochschulgruppen, wie dem sogenannten SDS, dem Sozialistisch-Demokratischen Studierendenverband, etwas von Schavan-Show. Anja Graf-Gadow vom freien zusammenschluss der studentInnenschaften blieb pragmatisch: "Wir erwarten hier einen Fahrplan, bei dem sich jeder - Bund, Länder und Hochschulen - dazu bekennt, was er umsetzen will."

Die verbliebenen Forderungen der Studierenden jenseits vom RCDS lauteten: freier Zugang zum Masterstudium ohne Notenbeschränkung und Gebühren, mehr studentische Mitbestimmung, bessere Lehre und Betreuung sowie Aufhebung der lästigen Anwesenheitspflicht - Forderungen, die auch die Vertreter der Unis teilen. Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, wirbt um mehr Personal für die Lehre. Der Wissenschaftsrat, der die Regierung von Bund und Ländern berät, hatte ausgerechnet, dass pro Jahr über 1 Milliarde Euro zusätzlich für Dozenten und Betreuer nötig seien, damit die Hörsäle leerer und die Seminare lehrreicher würden.

Die von Annette Schavan vor einigen Wochen in Aussicht gestellten 200 Millionen Euro pro Jahr für eine Exzellenzinitiative Lehre quittierte Wintermantel mit einem dankbaren "Besser als nichts."

Zu Beginn der Konferenz hegte sie gar noch die Hoffnung, dass die Länder die Summe des Bundes noch einmal um den gleichen Betrag aufstocken würden. Doch schnell wird klar, dass diese vorrangig zum Zuschauen gekommen sind. Der amtierende Chef der Kultusministerkonferenz, Ludwig Spaenle, aus Bayern stellt es den Hochschulen frei, ihre Studiengänge so zu organisieren, dass die Studierenden neben dem Studium auch noch Zeit für Praktika haben. Bei der Forderung nach einem Master für alle fehlen dem Schnellredner die Worte: "Das ist eine infrage zu stellende Forderung", radebrecht Spaenle.

Sein Kollege Jan-Hendrik Olbertz, der noch bis Herbst Kultusminister in Sachsen-Anhalt ist, verspricht immerhin, in der Kultusministerkonferenz prüfen zu lassen, wie hoch das Verhältnis der Master- zu den Bachelorstudienplätzen eigentlich ist. Ansonsten wird Olbertz, der auf die Seite der Bittsteller wechselt und Präsident der Humboldt-Uni wird, nichts mehr fordern, schon gar kein Geld: "Ich kenne doch die dramatische Lage der Landeshaushalte." Er fand es gut, dass mal so intelligent über Geld geredet wurde, und das sollte wohl heißen: allgemein und ohne konkrete Zusagen und Forderungen.

So bleibt alles ein nettes Tête-à-Tête. Kein gemeinsames Papier am Ende und damit keine Hausaufgaben an die Beteiligten.

Einzig Schavan kann dem einstudierten Konferenztheater etwas Dramatik verleihen. Unmittelbar nach dem Auszug der Konferenzkritiker erklimmt sie die Bühne. Sie, die die Aufforderung des Moderators mitzudiskutieren, zuvor dezent abgelehnt hatte, steht nun oben und donnert: "Das kann nicht unkommentiert bleiben." Und deklamiert dann einfach ihre Abschlussrede. Ihr Fazit: Wir machen alles richtig und sehen uns im nächsten Jahr wieder. The show must go on.

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