Bildungs-Debatte: Selber doof

Alle reden über Bildung, alle wissen es besser – doch warum ändert sich nichts? Die Beteiligten können sich nicht einmal auf den kleinsten Nenner einigen.

Die Debatte um die Zukunft der Bildung braucht eine neue Grundlage. Bild: ap

BERLIN taz | Alle reden mit. Politiker und Studierende, Lehrer und Professoren, Eltern und Kommentatoren. Diskutiert werden die fragwürdig umgesetzte Hochschulreform, das Für und Wider eines bundesweit einheitlichen Schulsystems oder Integrationsfragen im Bildungssektor. Die Teilnahme an der Bildungsdebatte setzt jedoch ein Grundwissen voraus, zu dem Vielen der Zugang von vornherein verwehrt bleibt. Oft sind die Ursachen in fehlgeschlagener Integrations- und Sozialpolitik zu finden.

Seit Jahrhunderten streben Gesellschaften nach gemeinsamen Bildungsidealen. Dabei weichen die Vorstellungen über das "Ideal" stark voneinander ab. Schon die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner ist schwierig, weil es so viele sich widersprechende Interessen gibt. Wie sollen dann erst die grundlegenden Probleme des Bildungssystems gelöst werden?

Hilft es weiter, Schulen mit Hightech-Equipment ans Netz zu bringen, ohne gleichzeitig für ein Konzept zum sinnvollen medienpädagogischen Einsatz mit qualifizierten Lehrern zu sorgen? Müssten außerinstitutionelle Bildungsangebote nicht stärker finanziert werden, um damit wirklich eine Zukunftsinvestitionen zu sein? Wie lassen sich Konzepte lebenslangen Lernens humanistisch verwirklichen? Was kann getan werden, um nicht nur die Eliten zu fördern, sondern ganz grundlegend für eine gleichberechtigte Teilhabe zu sorgen? Muss, um gleiche Chancen für alle gewährleisten zu können, nicht eine erfolgreiche Integration vom Kleinkindalter an stattfinden? Und grundsätzlich: Wer hat die Macht zu bestimmen, was richtige Bildung sein soll?

Dieser Text entstand bei der taz Akademie - das ist eines der Projekte, mit der die taz Panter Stiftung den journalistischen Nachwuchs fördert. 20 Nachwuchsjournalisten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum kamen für vier Tage in die taz, um in Seminaren die Theorie zu lernen und um in der gedruckten Ausgabe vier Seiten zum Thema Bildung zu gestalten.

Die Fragen sind berechtigt, nichtsdestotrotz wird auf hohem Niveau gejammert. Aus dem aktuellen Bildungsbericht der UNESCO geht hervor, dass es 72 Millionen Kindern im Grundschulalter weltweit nicht möglich ist, eine Schule zu besuchen. Und 759 Millionen Erwachsene weder lesen noch schreiben können. Solche Zahlen rücken die vermeintlichen Missstände in Deutschland in ein anderes Licht. Das heißt nicht, dass die offensichtlichen Probleme zu vernachlässigen sind. Dennoch muss der Bildungsdiskurs in einem erweiterten Kontext geführt werden. Die Debatte darf sich nicht nur auf Hochschulpolitik beschränken.

In der vergangenen Woche beschloss die Kultusministerkonferenz der Länder Leitlinien zur Senkung der Zahl von Schulabbrechern. Leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler sollen durch gezielte Maßnahmen individuell gefördert werden, so etwa durch berufsorientierteren Unterricht. Kooperationen mit außerschulischen Bildungseinrichtungen sind ebenso vorgesehen wie eine stärkere Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Die neuen Leitlinien sind ein wichtiges Signal, dennoch bleibt abzuwarten, ob und wie die Umsetzung vor Ort stattfinden kann.

Das alles wird nicht reichen. Lebensalterspezifische Bildungskonzepte sind in der Realität kaum aufzufinden, obwohl sie wichtig wären, um die Interessen des Menschen vor diejenigen der Wirtschaft zu stellen. Die Idee, lebenslanges Lernen aufzugreifen und weiterzuentwickeln, gehört weit oben auf die Agenden der unzähligen Bildungsgipfel.

Die Utopie einer umfassenden Bildung für alle ist ein Zustand, dem es sich nach wie vor weiter anzunähern gilt. Gerechtere Bildung, frei von Schranken, weiterzudenken, ist eine schwere Aufgabe. Es liegt in der Hand derer, die vom Bildungssystem bereits maßgeblich profitiert haben, sich dieser Aufgabe anzunehmen.

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