Vor dem Bildungsgipfel: Wer sich bewegt, hat schon verloren

Die Länder wollen mehr Geld vom Bund - es im Notfall aber gar nicht für Bildung ausgeben. Dabei fehlen gegenwärtig noch mindestens 320.000 Plätze in den Kitas.

Bund und Länder sind am Ziehen. Wer wird schachmatt gesetzt? Bild: dpa

BERLIN tazFür einen Moment war sein stets freundliches Lächeln erloschen. Als Helge Braun, Staatsekretär von Bildungministerin Annette Schavan (CDU), in der vergangenen Woche den Plenarsaal des Bundesrates verließ, hatte er eine deutliche Warnung erhalten: Die Länder stimmen der Bafög-Erhöhung und dem Stipendienprogramm des Bundes nur zu, wenn der Bund ihnen einen festen Anteil der Umsatzsteuer zusichert. Der Abgesandte Hessens klopfte dem Bundesvertreter auf die Schulter: "Nichts für ungut. Wir sehen uns wieder."

Morgen endet die Zeit der Unterhändler. Dann trifft sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder, um zu beraten, wie beide ihr Versprechen erfüllen, zusätzliche Milliarden für Bildung auszugeben. Doch über das "wie" sind sich beide Seiten uneins, Länder wie Hessen und Sachsen stellen auch das "ob" in Frage. Die Zeichen stehen auf Konfrontation.

Vor zwei Jahren hatten Merkel und die Ministerpräsidenten vereinbart, ab 2015 jeden zehnten Euro vom Bruttoinlandsprodukt in Bildung und Forschung zu investieren. Damit wollen sie unter anderem Kindergartenplätze für unter Dreijährige schaffen, die Zahl der Studienanfänger erhöhen und den Anteil der Schulabbrecher halbieren.

Der Bund hat den Ländern angeboten, 40 Prozent der jährlich zusätzlich anfallenden 13 Milliarden Euro zu übernehmen. Im Gegenzug will der Bund, der eigentlich in Bildungsfragen nichts zu sagen hat, mitreden. So will der Bund Geld in Programme wie jenes für Stipendien stecken. Irgendwann soll jeder zehnte Studierende monatlich 300 Euro erhalten, egal wie viel die Eltern verdienen. Bund und Länder sollen die Hälfte der Summe zahlen.

Zu teuer für uns, befanden die Finanzminister der Länder, die jährliche Zusatzbelastungen in Höhe von 80 Millionen Euro für ihre Etats heranrollen sahen. Müssen sie doch ihre Haushalte zusammenstreichen, mit dem Ziel, in zehn Jahren keine Schulden mehr zu machen. Also fordern sie vom Bund, das versprochene Geld blanko zu überweisen und geloben es für die Bildung auszugeben. Der Haken dabei: Die Hoheit über den Haushalt haben die Parlamente.

Versprechen von Ministerpräsidenten sind in Notzeiten nicht viel wert, wie etwa das Beispiel Schleswig-Holstein zeigt. Im vergangenen Jahr hat sich Ministerpräsident Peter Harry Carstensen seine Zustimmung zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz noch mit finanziellen Zusagen aus Berlin erkauft, nun plant die schwarz-gelbe Regierung zur Sanierung des Haushalts 2.300 Studienplätze zu streichen. Etwa den gesamten Studiengang Medizin in Lübeck. "Das habe nichts mit der Qualität zu tun, hat uns der Wissenschaftsminister versichert", erzählt Uni-Präsident Peter Dominiak. Klaus Erich Pollmann, Rektor der Universität Magdeburg im ähnlich finanzschwachen Sachsen-Anhalt, gruselt es bereits: "Wenn die mit der Schließung der Lübecker Medizin durchkommen, ist morgen überall Lübeck."

Der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm stellt den Erfolg des Gipfels unter den gegenwärtigen Bedingungen infrage: "Wenn man Schulden abbauen will und die Einnahmeseite nicht verbessert, wird es eng." Dann müsse jeder Euro für die Bildung notfalls bei den Sozialausgaben eingespart werden. Der emeritierte Bildungsökonom Klemm schlägt vor, dass Bund und Länder sich besser daran orientierten, was sie erreicht haben. Und das ist wenig, wie Klemm in einer Studie nachweist, die er mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund am Dienstag vorstellte.

So fehlen gegenwärtig noch mindestens 320.000 Plätze in Kitas, damit der Rechtsanspruch für unter Dreijährige wie angestrebt verwirklicht wird. Die Quote der jungen Menschen ohne Schulabschluss ist seit 2008 nur von 9 auf 7 Prozent gesunken. Damit die Anzahl der Schulabbrecher sinke, müssten sich die Länder aber verstärkt um Förderschulen kümmern - die Hälfte aller Schulabbrecher komme von dort. "Doch da sehe ich gar keine Bewegung in den Ländern", so Klemm.

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