Polizei bei Gipfel-Protesten: Pfefferspray im Käfig

Verhaftete beklagen die Polizei-Willkür während der Klimakonferenz. Selbst in den Gitterkäfige sei man nicht sicher gewesen. Jetzt soll eine Sammelklage eingereicht werden.

Brennende Barrikaden gegen Tränengassalven: Die Nacht von Montag auf Dienstag in Kopenhagen. Bild: dpa

KOPENHAGEN taz | Die Verhaftungen bei den Klimaprotesten in Kopenhagen haben ein juristisches Nachspiel. Mindestens 600 Demonstranten haben sich bis zum Dienstag zusammengeschlossen, um eine Sammelklage gegen das Vorgehen der dänischen Polizei einzureichen.

Die hatte seit Samstag über 1.500 Gipfelgegner festgenommen, die allermeisten von ihnen "rein vorbeugend". Das im Vorfeld des Gipfels vom dänischen Parlament verabschiedete "Lümmelpaket" erlaubt eine Präventivhaft von bis zu 12 Stunden. Es genügt der Verdacht, dass ein Demonstrant "Ordnung und Sicherheit gefährdende" Absichten haten könnte.

Die Gefangenen werden während des Gipfels in einer Lagerhalle im Polizeihauptquartier in Dutzende Stahlkäfige eingesperrt, die sich die Polizei aus Deutschland geliehen hat. Sie stammen noch von den G8-Protesten in Heiligendamm im Sommer 2007.

Nach ihrer Freilassung berichten Inhaftierte, dass Beamte in der Nacht auf Sonntag und auf Montag mit Pfefferspray auf die Gefangenen losgegangen sind. "Als die Leute begonnen haben, in den Zellen Lärm zu machen, hat die Polizei ihnen mit Pfefferspray gedroht. Dann haben sie ihre Matten und Decken vor die Gitter gestellt, um sich zu schützen," berichtet die etwa die Demonstrantin Anna Kollerup. Daraufhin seien Polizisten auf die Käfige geklettert und hätten sie von oben mit Pfefferspray besprüht. Anschließend hätten sie die Decken, Matten und Wasserflaschen aus den Zellen geholt.

Schon bei den Festnahmen war die Polizei hart vorgegangen. "Hunderte von uns mussten im Kessel stundenlang mit gegrätschten Beinen auf dem eiskalten Boden sitzen," sagt Marie, eine 21-jährige Demonstrantin aus Deutschland. "Als ich es nicht mehr ausgehalten habe, so zu sitzen, hat mich ein Polizist mit dem Knie in die Seite getreten." Die Festgenommenen hätten so lange nicht zur Toilette gedurft, bis sich einige in die Hose machten. Die Polizei habe die Festnahmen auch auf mehrfache Nachfrage nicht begründet.

Die dänische Sektion von Amnesty International kritisiert die dänischen Sicherheitsbehörden. Ihr Vorgehen gegen die Klimademonstranten sei "vollkommen unproportional" gewesen, erklärte Amnesty-Generalsekretär Lars Normann Jørgensen. Lediglich gegen 13 der 968 am Samstag festgenommenen seien konkrete Vorwürfe erhoben worden. Bei der Großdemonstration am Samstag, nach der fast 1.000 Menschen im Knast landeten, war es bis auf einzelne Steinwürfe weitestgehend ruhig geblieben.

In der Nacht zum Dienstag kam es allerdings zu heftigen Auseinandersetzungen. Mehr als 200 Personen wurden festgenommen. Am Abend hatten etwa 1.000 Menschen ein Fest im "Freistaat Christiania" besucht. Christiania ist ein seit den 70er Jahren besetzt gehaltenes Kasernengelände in unmittelbarer Nähe des Zentrums von Kopenhagen.

Gegen 22.00 Uhr errichteten Demonstranten vor den Toren von Christiania Barrikaden. In den nächsten Stunden flogen Steine und Molotowcocktails in Richtung Polizei, die sich vor Christiania postiert hatte. Die schoss immer wieder große Mengen Tränengas auf das Gelände. Die Schwaden zogen in die Gebäude und ein in der Nähe aufgebautes Zirkuszelt, in dem das vom Protestnetzwerk "Climate Justice Action" ausgerichtete Fest stattfand. Viele Besucher flüchteten in ein nahegelegenes Wohngebiet. Gegen 23.30 Uhr rückte die Polizei vor und verhaftete viele der in Christiania Zurückgebliebenen. Das Gebiet wurde weiträumig abgesperrt.

Später zündeten Unbekannte abseits von Christiania gegen 1.00 Uhr in der Nähe einer Unterkunft der Klimademonstranten im Norden der Stadt zwei Autos an.

Am Dienstag beteiligten sich mehrere Tausend Menschen in Kopenhagen am Aktionstag zur Agrarindustrie. Bei einer Demonstration machten sie darauf aufmerksam, dass Monokulturen und die hierfür nötige Entwaldung in den Ländern des Südens einen großen Beitrag zur Erderwärmung leisten.

Für den heutigen Mittwoch hat das "Climate Justice Action"-Protestnetzwerk (CJA) dazu aufgerufen, mit "offensiver Gewaltfreiheit" das Bella Center, den Tagungsort des UN-Gipfels zu stürmen. "Wir werden an diesem Tag Geschichte schreiben und wir werden nicht in diesen gottverdammten Käfigen enden", hatte ein CJA-Sprecher den Demonstranten bei einem Vorbereitungsplenum am Montagabend prophezeit und an die erfolgreiche Blockade des G8-Gipfels in Heiligendamm erinnert.

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