Label gegen Hungerlöhne gefordert: Hilfe beim korrekten Einkauf

Verbraucherschützer fordern ein neues Label für sozialverantwortliche Produkte, um gute und schlechte Firmen zu unterscheiden. Wirtschaft signalisiert vorsichtig Interesse.

"Könnte eine gute Sache sein", findet Ritter Sport: Nach dem Bio-Siegel kommt nun vielleicht auch noch ein "Label für sozialverantwortliche Produkte". Bild: dpa

Was ist ein gutes Handy? Es darf nicht zu teuer sein, muss lange halten und sollte qualitativ auf der Höhe der Zeit sein. Kamera und schickes Display aber reichen nicht mehr aus. Mancher Kunde möchte inzwischen wissen: Hat der Produzent seine Arbeiter in China und Laos vernünftig behandelt, oder knechtet er sie in 12-Stunden-Schichten, mit Hungerlöhnen und drei Tagen Jahresurlaub? Über diese Art Produktqualität erfahren Verbraucher fast nichts - es sei denn, sie begeben sich zu aufwendigen Recherchen ins Internet.

Um es politischen Käufern etwas leichter zu machen, wünscht Gerd Billen sich ein "Label für sozialverantwortliche Produkte". Ein einheitliches Siegel für Firmenethik hat der Chef der Verbraucherzentralen im Sinn - "quasi ein zweites Preisschild, damit Verbraucher positives Verhalten von Unternehmen honorieren können". Ähnlich wie schon bei diversen Bio-Zertifikaten oder dem erfolgreichen Transfair-Siegel könnten die Konsumenten dann gezielt solche Produkte kaufen, bei deren Herstellung die politischen und sozialen Grundrechte der Beschäftigten nicht verletzt wurden.

Auch einzelne Unternehmen machen sich inzwischen Gedanken über ein Label für Unternehmensverantwortung. "Wir finden den Ansatz interessant und prüfen das", sagt Johannes Merck von der Otto Gruppe. Ähnlich äußert sich Thomas Seeger, Sprecher der Schokoladenfirma Ritter Sport: "Wenn es ernsthaft gemacht wird, kann das eine gute Sache sein." Selbst Econsense, das "Forum für Nachhaltigkeit" der großen deutschen Konzerne, lehnt die Idee nicht rundheraus ab. Ein Label müsse "nachvollziehbar und handhabbar sein", sagt Thomas Koenen von Econsense. "Es darf keine zusätzlichen Kosten für die Unternehmen mit sich bringen. Eine gemeinsame Linie der Wirtschaft zum Label gibt es zurzeit aber nicht."

Die Idee des Sozialsiegels spielt auch eine Rolle beim Kongress "Unternehmen in Verantwortung", den Bundesarbeitsminister Olaf Scholz und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) am Dienstag und Mittwoch in Berlin abhalten. Mancher Sozialdemokrat hört mit Interesse die wortreichen Erklärungen, mit denen die großen Unternehmen ihr soziales und ökologisches Engagement besingen. Tatsächlich ist "Corporate Social Responsibility", wie der Fachausdruck lautet, ein Modethema der Wirtschaft. Scholz will die Manager beim Wort nehmen.

Eine konkrete Möglichkeit dafür wäre das Sozialsiegel, heißt es im Arbeitsministerium. Solch ein Label dürfte aber nicht per Gesetz eingeführt, sondern müsste freiwillig zwischen Regierung, Interessenverbänden und Unternehmen vereinbart werden. Jeder Firma stünde es frei, das Siegel auf ihre Produkte zu drucken. Wer es allerdings nicht täte, liefe Gefahr, von konsequenten Konsumenten gemieden zu werden.

Klar ist auch: Das Label müsste auf fünf bis zehn eindeutigen, überprüfbaren Kriterien basieren. Zu diesen "harten Indikatoren" könnten etwa die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gehören. Jede Firma weltweit ist demnach heute schon verpflichtet, auf Zwangs- und Kinderarbeit zu verzichten und den Beschäftigten freie Lohnverhandlungen zu ermöglichen. Viele Unternehmen halten sich aber nicht daran. Die Einführung des Sozial-Labels könnte für zusätzlichen Druck sorgen.

Der Handykauf würde dann schwieriger, denn die vielen Geräte, die in China hergestellt wurden, dürften das Siegel nicht tragen: Noch kann kein chinesischer Arbeiter einer unabhängigen Gewerkschaft beitreten.

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