Spekulation auf Nahrungsmittel: Mit dem Zucker spielt man nicht

Spekulation verschärft die Steigerung bei den Lebensmittelpreisen um ein Fünftel - sagen Ökonomen. Ministerin Aigner erwägt nun eine bessere Regulierung.

Zuckerwatte wie Wolken wie Zuckerwatte. Bild: Patrik Jones | CC-BY

BERLIN taz | Etwa 20 Prozent der Preissteigerung bei Nahrungsmitteln weltweit werden durch Börsenspekulation verursacht. Diese Berechnung hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung am Dienstag veröffentlicht. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) setzt sich deshalb für bessere Regulierungen des Börsenhandels ein. Ein internationaler Konsens ist aber noch nicht in Sicht.

Wegen des starken Preisanstiegs ist die Finanzspekulation bei Grundnahrungsmitteln ab 2008 großes politisches Thema geworden. Europäische Regierungen befürchten, dass die Zahl der Hungernden weltweit zunimmt und mehr Flüchtlinge kommen. Frankreichs Staatspräsident Nicholas Sarkozy hat die Spekulation mit Lebensmitteln und anderen Rohstoffen deshalb zu einem zentralen Punkt seiner aktuellen Präsidentschaft der G-20-Gruppe der wichtigsten Wirtschaftsnationen gemacht.

Neuen Zahlen der Welternährungsorganisation FAO zufolge lag beispielsweise der Preis für Weizen im März 2011 mit 332 Dollar pro Tonne um mehr als die Hälfte über dem Niveau von 2010. Der Anteil der Spekulation an diesen Preiserhöhungen ist bislang allerdings umstritten. Das DIW macht nun einen der ersten Versuche zur Berechnung.

"Unseren Schätzungen zufolge erklärt die globale Liquidität ungefähr 20 Prozent der Lebensmittelpreisveränderung", sagt DIW-Expertin Kerstin Bernoth. Der zugrunde liegende ökonomische Mechanismus, den das DIW analysiert, sieht so aus: Um die Wirtschaft während der Finanzkrise zu stützen, haben Regierungen viele hundert Milliarden Euro in den Geldkreislauf gepumpt. Nun befürchten private Investoren Inflation und legen ihr Geld in vermeintlich sicheren Sachwerten an. Dazu gehören Nahrungsmittel wie Getreide und Zucker. Steigende Nachfrage aber treibt die Preise.

Steigende Nachfrage treibt die Preise

Im Auftrag der Deutschen Welthungerhilfe kam unlängst der Bremer Ökonom Hans Bass zu einem ähnlichen Ergebnis wie das DIW. Er berechnete, dass die weltweite Finanzspekulation die Preise zwischen 2007 und 2009 um bis zu 15 Prozent erhöht habe. Bei einem Weizenpreis von 332 Dollar betrüge der spekulative Anteil rund 20 Dollar pro Tonne.

DIW-Expertin Bernoth legt allerdings Wert auf die Feststellung, dass andere Faktoren als die Spekulation den Preis stärker beeinflussen. "Insgesamt hält sich die Wirkung der globalen Liquidität in Grenzen", sagt die Ökonomin, "ein bedeutenderer Faktor, welcher die Lebensmittelpreise beeinflusst, ist das wirtschaftliche Wachstum in den Schwellenländern." Wenn die Bevölkerung in Staaten wie China oder Brasilien insgesamt an Wohlstand gewinnt, nimmt die Nachfrage etwa nach Fleisch zu. Auch so wird Getreide teurer.

Aigner für "zentrales Transaktionsregister"

Im Zuge dieser Debatten setzt sich Agrarministerin Aigner an diesem Mittwoch abermals für eine bessere Regulierung der Geschäfte mit Nahrungsmitteln ein. Sie plädiert dafür, ein "zentrales Transaktionsregister" für den Handel mit Agrarrohstoffen einzurichten. Dieses solle Transparenz über Händler und Verträge schaffen, um Fehlentwicklungen rechtzeitig aufzudecken.

Außerdem sagt Aigner: "Notwendig sind realistische Grenzen für die täglichen Preisschwankungen bei Produkten wie Getreide und Soja an Warenterminbörsen." Ob die Vorschläge umgesetzt werden, ist fraglich. Bislang haben die G-20-Staaten weder eine gemeinsame Einschätzung zum Einfluss der Spekulation noch zu Gegenmaßnahmen.

Christian Dreger, Konjunkturchef des DIW, warnt vor übereilten Aktionen: "Weil der Großteil der Preisentwicklung von Fundamentaldaten wie Angebot und Nachfrage bestimmt wird, wäre es falsch, mit zu starker Regulierung in den Handel einzugreifen." Sinnvoller erscheine es, etwa das Angebot an Nahrungsmitteln zu steigern, so Dreger. "Dazu beitragen könnten beispielsweise mehr und bessere Kredite für Kleinbauern in Entwicklungsländern."

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