Schärfere Auflagen: Spielzeug etwas weniger giftig

Das Europaparlament verbietet 55 allergieauslösende Duftstoffe in Spielzeug, für Schwermetalle gelten niedrigere Grenzwerte. Einen "Spielzeug-TÜV" soll es aber nicht geben.

Eine "Katastrophe für unsere Kinder" nennt Chemie-Experin Caterbow die Richtlinie. Bild: dpa

Wie viel Euro ist ein Kinderleben wert? Bevor die EU-Kommission Anfang Januar eine Reform der 20 Jahre alten Spielzeugrichtlinie vorschlug, ließ sie eine Kosten-Nutzen-Analyse durchrechnen. Das damit beauftragte Institut stellte aber fest, die durch Krankheit oder Tod verursachten Folgekosten zu lascher Gesetzgebung seien äußerst schwierig abzuschätzen.

Anfang der Woche griff die französische Sozialstaatssekretärin Valérie Létard im Europaparlament das Thema wieder auf. In ihrer Eigenschaft als Ratsvorsitzende beteiligte sie sich an der Aussprache über die neue Spielzeugrichtlinie, die das Parlament am Donnerstag in erster Lesung beschlossen hat. "Die Gesetzgeber mussten einen ausgeglichenen Ansatz finden, der die Sicherheit der Spielzeuge garantiert, ohne den Preis zu erhöhen, und der den Herstellern und Importeuren keine zu strengen Verpflichtungen auferlegt", sagte Létard.

Das Ergebnis: Die neuen EU-Vorgaben verbieten unter anderem die Verwendung von 55 allergieauslösenden Duftstoffen, für Schwermetalle gelten niedrigere Grenzwerte. Verbraucherschützern geht die Regelung aber nicht weit genug. Es seien immer noch zu viele gefährliche Chemikalien zugelassen, kritisierte der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Unzufrieden ist auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU). Sie könne "keine Entwarnung in Sachen Spielzeugsicherheit" geben.

Der zuständige EU-Industriekommissar Günter Verheugen betonte, das neue Gesetz komme "rechtzeitig vor Weihnachten". Was das bedeuten soll, bleibt sein Geheimnis, denn es wird erst in zwei Jahren in Kraft treten. Bis die neuen chemischen Grenzwerte gelten, dauert es sogar noch vier Jahre. "Ich finde diese vorweihnachtliche Eile völlig absurd", sagte die grüne Europaabgeordnete Heide Rühle der taz. In einer zweiten Lesung hätten weitere Verbesserungen durchgesetzt werden können. Die Grünen stimmten gegen das Gesetz, da es weiterhin geringe Mengen von krebserregenden und fortpflanzungsschädigenden Stoffen erlaubt und keine Qualitätsprüfung durch unabhängige Stellen verlangt.

Verheugen hingegen lobte, das Gesetz enthalte "die niedrigsten Grenzwerte für toxische Substanzen wie Blei oder Quecksilber, die weltweit gelten. Stoffe, die die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen oder genetische Veränderungen herbeiführen können, dürfen nur noch verwendet werden, wenn ihre Unbedenklichkeit eindeutig wissenschaftlich erwiesen ist." Dem entgegnete die grüne Abgeordnete Hiltrud Breyer: "Nur ein klares Verbot schafft Sicherheit. Leider hat sich die EU vor der Verantwortung für diesen klaren Schutz bei Kindern gedrückt."

Als "Katastrophe für unsere Kinder" bezeichnete die Chemikalienexpertin Alexandra Caterbow vom Netzwerk Women in Europe for a better future (WECF) die Richtlinie. Stoffe wie das hochgiftige PBT, das sich im Körper anreichern und Gehirn und Hormonsystem schädigen kann, würden in der Richtlinie überhaupt nicht erwähnt. Krebserregende, fortpflanzungsschädigende und erbgutverändernde Chemikalien (CMR) seien erlaubt, wenn ein wissenschaftliches Gremium ihre Unbedenklichkeit bescheinigt habe, keine Ersatzstoffe existierten und sie nicht unter die sogenannte Reach-Chemikalienverordnung fallen. Nur wenige allergene Duftstoffe seien verboten worden. "WECF ist der Meinung, dass kein Spielzeug riechen muss."

Bis zuletzt hatte sich die sozialdemokratische Abgeordnete Evelyn Gebhardt für einen Änderungsantrag eingesetzt, der einen unabhängigen "Spielzeug-TÜV" schaffen würde. Doch es bleibt dabei: Auch in Zukunft können Hersteller ihren Produkten selbst die Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen. Importeure sollen Stichproben durchführen, die nationalen Prüfbehörden sollen strenger als bisher kontrollieren. Dass dieses System nicht funktioniert, dürften die Rückrufaktionen der Vergangenheit jedoch bewiesen haben.

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