Serie "Abc der Alternativen": Vorrang für lokale Produkte

Binnenmarkt statt Weltökonomie: Mit seinem Konzept der Deglobalisierung will Walden Bello die globale Wirtschaft beherrschbar machen.

Erhielt 2003 den alternativen Nobelpreis: Der Menschenrechtler Walden Bello Bild: ap

Das Konzept der "Deglobalisierung" geht zurück auf Walden Bello, eine der führenden Personen der globalisierungskritischen Bewegung. Seine Kernthese ist eine Umorientierung von den auf Export ausgerichteten Volkswirtschaften zu einer Produktion vorwiegend für den Binnenmarkt.

Es gibt Vorläufer für diese Vorstellung, auch wenn dort der Begriff Deglobalisierung nicht explizit genutzt wurde. Der Ökonom John Maynard Keynes beispielsweise dachte bereits 1933 entlang den Linien von Deglobalisierung, als er darauf drängte, wirtschaftliche Verwicklungen zwischen den Nationen zu vermindern. Waren sollten einheimisch sein, wann immer das vernünftig und möglich ist. Und vor allem muss das Finanzwesen national bleiben. Ebenso gleicht Bellos Strategie den frühen Werken des ägyptischen Intellektuellen Samir Amir, der die "Unterordnung externer Verbindungen unter die Logik der internen Entwicklung" befürwortete.

Keiner dieser Denker wandte sich gegen internationale Beziehungen per se. Amin betont, dass "Entkoppelung nicht gleichbedeutend mit Autarkie ist", Keynes räumte ein: "Ideen, Wissen, Gastfreundschaft, Reisen - alle diese Dinge sollten ihrer Natur gemäß international sein." Verfechter der Deglobalisierung argumentieren, dass von oben nach unten verlaufende Prozesse neoliberaler Globalisierung umgekehrt werden müssten. Das Deglobalisierungsparadigma bringt die Produktion von Waren und Dienstleistungen mit sich, die weniger auf die firmengesteuerte Konsumkultur als vielmehr auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Deglobalisierte Produktion verwendet Technologien, die die Gemeinschaft, die Umwelt und das Leben verbessern und nicht zerstören. Eine deglobalisierte Wirtschaft speist einen Großteil der finanziellen Ressourcen einer Gesellschaft für ihre Entwicklung aus sich selbst, anstatt von ausländischen Investitionen abhängig zu sein. Darüber hinaus verringert eine Politik der Deglobalisierung den Stellenwert von Wachstum und vergrößert die Verteilungsgerechtigkeit. Gewürdigt wird zudem die zentrale Bedeutung des Beitrags von Frauen zur Produktion und Reproduktion ökonomischer und sozialer Systeme. Deglobalisierung beendet der kapitalistischen Entwicklung innewohnende Kluft zwischen Stadt und Land, indem sie Landwirtschaft, landwirtschaftliche Kommunen und landwirtschaftliche Ökonomien aufwertet. Strategische wirtschaftliche Entscheidungen werden einer demokratischen Auswahl unterworfen und nicht dem Markt überlassen. Der private Sektor wird staatlicher Regulierung untergeordnet, die wiederum strikter demokratischer Kontrolle unterliegt. Zu den veränderten Produktions-, Tausch- und Verteilungsnormen einer deglobalisierten Welt gehören lokale Kooperativen, private Firmen und Staatsunternehmen, transnationale Konzerne aber nicht.

Kritiker setzen Deglobalisierung mit Autarkie und Protektionismus gleich. Es geht aber darum, die neoliberale Politik der Handels- und Finanzliberalisierung, der exportorientierten Produktion, Privatisierung und Deregulierung umzukehren, umso mehr, als sie durch internationale Handelsabkommen und von internationalen Finanzinstitutionen betrieben wird. Die Macht internationaler Konzerne und Finanzmärkte wird "dekonstruiert", soziale Beziehungen, lokale Gemeinschaften, die Umwelt und lokale Ökonomien werden "rekonstruiert".

Bellos Vorstellung von Deglobalisierung hat jedoch auch Beschränkungen. So erläutert er nicht, wie im Prozess der Deglobalisierung der Staat selbst verändert werden kann. Er erweitert den traditionellen Dritte-Welt-Nationalismus durch den Versuch, feministische und ökologische Perspektiven zu integrieren, entwickelt diese Perspektive jedoch nicht umfassend. Zudem ist in Bellos Ansatz die Rolle neuer globaler Netzwerke und Organisationen nicht angemessen durchdacht.

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