Sitzblockade in Gorleben: Kein Pfefferspray

Fabian macht zum ersten Mal bei einer Castor-Blockade mit. Gerade Anfängern wie ihm wollen die Organisatoren einen unterstützenden Rahmen bieten. "Krass drauf sein", sei kein Ziel.

Ein temporäres Mikrouniversum mit Vokü, Rechtsberatung und Deckenservice: Sitzblockade auf der Zufahrtsstraße ins Zwischenlager Gorleben. Bild: dapd

GORLEBEN taz | In der Nacht ist es eiskalt, das Gras knirscht vom Raureif. Als sich aber der Nebel hebt, im Wald, da kommen die Aktivisten fast ins Schwitzen. Sie sind bepackt mit dem Nötigsten für die nächsten Tage – Schlafsack, Isomatte, viele tragen Säcke mit Stroh.

So auch Fabian, 28 Jahre, aus Witten. Er ist zum ersten Mal beim Castor dabei, gegen Atomkraft ist er „erst seit einem Jahr auf der Straße aktiv“, wie er sagt. „Früher habe ich Briefe geschickt und Unterschriften gesammelt“, erzählt er. Auch gegen die Wiedereinschaltung des Atomkraftwerks Krümmel. Trotz der Sicherheitsbedenken „und der vielen Einwände, die ja viele vorgebracht haben, auch der BUND, nicht nur wir“ sollte das Kraftwerk wieder angeschaltet werden. „Dann war Aktion angesagt“, bei der Sommer-Blockade, vergangenes Jahr am Kraftwerk Krümmel. Fabian dachte sich: „jetzt reicht's“. Er kam allein zu der Aktion, traf dann aber gleich einen Freund, der ihm das System mit dem Bezugsgruppen erklärte. „Bei sowas ist es einfach besser, in einer Gruppe zu sein – das wusste ich“.

Bei den Protesten gegen den Castor heißt seine Gruppe „Gelbe Forelle“. Samstag abend hatten sie noch ein Treffen bis kurz nach Mitternacht, am nächsten Morgen ging es schon wieder um sechs raus. Er hat sich gut überlegt, wie friedlich er sein will, wie sehr er eskalieren und was er riskieren will. Er habe „extra keinen Helm mitgenommen“, erklärt er, und keine Stahlkappenschuhe. In der Sitzblockade am Zwischenlager fühlt er sich „so gut aufgenommen“. Die Verantwortlichen strahlten Ruhe aus, das gebe Sicherheit.

„Wir wollen einen Rahmen für Blockade-Aktionen bieten“, so Neumann-Cosel von x-tausendmal-quer. Die Initiative organisiert, wie schon in den Vorjahren, eine Straßenblockade zwischen dem Dorf Gorleben und dem Zwischenlager. Als vor zwei Jahren der bislang letzte Castor nach Gorleben kam, waren in der ersten Nacht 200 oder 300 Leute auf der Straße. Dieses Jahr sind es mehr als 1.000, die von Anfang an dabei sind; darunter viele, die vorher noch nie blockiert haben.

Seit dem Frühjahr 2010 haben über 1.000 Anti-Atom-Aktive an den Trainings teilgenommen, die die im Vorfeld des 1997er Castors gegründete Initiative in vielen Städten Deutschlands angeboten hat. In diesem Jahr gibt es zum ersten Mal ein emotionales Nachsorgeteam mit Ruhezelt, außerdem, so wie schon in den Vorjahren, juristische Beratung und vegetarisch-vegane Verpflegung direkt an der Blockade. Es werden Decken gebracht, und im Camp gibt es Kinderbetreuung. Diese Palette an Aktionsunterstützung soll die Hemmschwelle gerade für Unerfahrene senken, erklärt Luise Neumann-Cosel das Konzept von X-tausendmal-quer.

Sie selbst blockiert den Castor seit 2003 und sagt von sich, sie sei „ nicht so krass drauf“, es gehe ihr um die Sache: die Kritik an der Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke und darum, dass "Gorleben nicht zum Endlager gemacht wird". Es ist ihr wichtig, dass eine Aktion „wohl überlegt“ stattfindet, „nicht einfach so“ - desskalierend. „Ich will nicht, dass es Pfefferspray gibt“. Wie Fabian schätzt auch sie an den x-tausendmal-quer--Blockaden, dass sie dort viele Freunde trifft – und die sich dort manifestierende Kraft der Bewegung. „Auf einmal ist da ein Hüttendorf“. Die schönsten Momente sind für Luise Neumann-Cosel solche wie der beim Castor-Transport 2008, nach zwei Tagen Ausharrens in der Kälte: Der Castor kam und kam nicht, er wurde weiter aufgehalten – und plötzlich kletterten zwei AktivistInnen am Zwischenlager hoch und hissten ein Banner mit der Aufschrift „Gegen unsere Lebendigkeit seid ihr machtlos“.

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