Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21": Der Stress mit dem Test

Im Streit um den Bahnhof sollte ein Leistungstest für Ruhe sorgen. Doch die Ergebnisse kommen vorab an die Öffentlichkeit. Der Verkehrsminister glaubt, die Bahn sei schuld.

Weiter das große Zankthema: der Bahnhofsneubau in Stuttgart. Bild: dpa

BERLIN taz | Vermutlich muss Heiner Geißler bald wieder eingeflogen werden: Ein halbes Jahr nachdem der CDU-Politiker den Streit um das milliardenschwere Bahnprojekt Stuttgart 21 schlichtete, ist neue Vermittlung nötig.

Eigentlich wollte er zusammen mit dem grünen Verkehrsminister Baden-Württembergs, Winfried Hermann, und einem Vertreter der Deutschen Bahn am 14. Juli das Ergebnis eines "Stresstest" vorstellen - einer Simulation des offiziell 4,1 Milliarden Euro teuren geplanten Umbaus des Stuttgart Bahnknotens. Er hätte zeigen sollen, ob der neue Bahnhof besser wird als der alte.

Nun allerdings sind die Ergebnisse des Testes schneller publik. Der Verkehrsminister ist sauer, weil er die Details des Ergebnisses nicht kenne, und sprach von einem "Foul" der Bahn. "Offenbar streut die Bahn gezielt vorab ein ihr genehmes Ergebnis. Damit macht sie sich aber unglaubwürdig", sagte er. Vor allem ärgert ihn, dass sich die Bahn selbst ein Zeugnis ausstelle und unabhängige Gutachter das Ergebnis noch nicht bewertet hätten - obwohl sich Bahn und Land auf dieses Vorgehen geeinigt hatten.

Die Bahn schere aus der Schlichtungsvereinbarung aus, wenn sie Ergebnisse des sogenannten Stresstests vorsätzlich durchsickern lasse und dadurch versuche, die Stimmung zu beeinflussen, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. Auch die Gegner des Projekts sind wütend: "Der Stresstest ist völlig unglaubwürdig für uns - von der Form und vom Verfahren her. Wir sind sehr sauer", sagte Gerhard Pfeifer, BUND, einer der langjährigen Organisatoren des Protests, der taz.

Regierung sei am 16. Juni informiert worden

Transparenz ist nach Darstellung der Deutschen Bahn allerdings gegeben: "Seit Wochen ist das Verkehrsministerium in einem Arbeitskreis stets zeitnah über die Ergebnisse und aktuellen Daten der Simulation informiert worden", sagte Projektsprecher Wolfgang Dietrich. Es habe einen sogenannten "Lenkungskreis Stresstest" gegeben, zuletzt habe man die Landesregierung am 16. Juni mehrere Stunden über den Stand des Tests informiert, teilte die Bahn mit.

Das baden-württembergische Verkehrsministerium bestätigte das Treffen gegenüber der taz. Allerdings habe man genau dort Daten angefordert, um den Test bewerten zu können, etwa die simulierten Gleisbelegungen und Fahrpläne. Diese Daten seien von der Bahn allerdings nie geliefert worden.

Damit setzt sich eine Auseinandersetzung der letzten Wochen fort, in der Bahnchef Rüdiger Grube den Grünen schon mal "Volksverdummung" vorgeworfen hatte, weil sie den Wählern versprochen hätten, Stuttgart 21 zu stoppen. Gestern griff auch die FDP Hermann an: Der Stuttgarter Verkehrsminister handele "noch immer nach der Devise ,Verschonen Sie mich mit Tatsachen, ich habe schon meine Meinung'", sagte der Vizevorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Patrick Döring, Handelsblatt Online.

Arbeiten am Projekt laufen weiter

Für die erst seit Mai amtierende Landesregierung ist Stuttgart 21 eine der großen ungelösten Fragen. Die SPD ist dafür, die Grünen sind dagegen. Ein Volksentscheid im Herbst für oder gegen das Projekt soll die Entscheidung bringen. Zwar hatte der SPD-Fraktionschef im Landtag, Claus Schmiedel, die Grünen schon mal aufgefordert, das Baurecht der Bahn zu akzeptieren - derzeit laufen die Arbeiten an dem Projekt weiter.

Am Montag bemühte sich der kleine Koalitionspartner allerdings, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen - aus dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium hieß es nur, ohne die Details zum Stresstests werde man keine Bewertung abgeben. Die Grünen hofften, das Projekt bereits mit dem Test stoppen zu können - falls das Ergebnis gewesen wäre, dass teure Nachrüstungen nötig sind. Nun wird alles auf einen Volksentscheid hinauslaufen. Pfeifer kritisiert, dass die Bahn mit ihrem Vorgehen den Eindruck erwecken wolle, das Projekt sei unumkehrbar.

So sollen bereits am 15. Juli, also nur einen Tag nachdem das Ergebnis des Stresstests ursprünglich vorgestellt werden sollte, neue Bauaufträge vergeben werden. Es handelt sich um große Tunnelabschnitte. Genau diese Bauaufträge könnten von der Bahn später als Argument des zu teuren Ausstiegs aus dem Projekt herangezogen werden, glaubt Pfeifer. Bei einem Ausstieg müssten allerdings lediglich die Planungskosten der Unternehmen erstattet werden, solange es noch keine Bauarbeiten gebe - genau das ist bis Herbst auch nicht geplant.

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