Rekordhöhe bei Radioaktivitätsmessung: Asse-Müllkippe strahlt von innen

Das Bundesamt für Strahlenschutz misst in Asse den höchsten radioaktiven Wert, den es dort jemals gegeben hat: Eine Cäsium-137-Aktivität von 240.000 Becquerel pro Liter.

Atommüll-Endlager: Kammer mit schwach radioaktivem Müll. Bild: ap

Vor einer Einlagerungskammer im maroden Atommülllager Asse in der Nähe des niedersächsischen Wolfenbüttel ist die Radioaktivität stark gestiegen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) maß in einem Bohrloch vor der Kammer 12 in 750 Meter Tiefe eine Cäsium-137-Aktivität von 240.000 Becquerel pro Liter. In geringerer Konzentration wurde in der Lösung auch das Radionuklid Kobalt-60 festgestellt.

"Das ist der bislang höchste Wert von Cäsium-137 in einer Lösungsprobe, der in der Asse nach dem Ende der Einlagerung im Jahr 1978 gemessen wurde", sagt BfS-Sprecher Werner Nording.

Das radioaktive Cäsium-Isotop entsteht bei der Atomspaltung, die Halbwertszeit beträgt 30 Jahre. Cäsium-137 lagert sich vor allem in der Leber, der Milz und in den Nieren an. Bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und beim Atomunfall in Fukushima wurden große Mengen Cäsium-137 freigesetzt. Der frühere Asse-Betreiber, das Helmholtz Zentrum, hatte im Jahr 2008 im selben Bohrloch etwa 90.000 Becquerel Cäsium-137 pro Liter gemessen. Die Aktivitätskonzentration ist innerhalb von drei Jahren um das Zweieinhalbfache gestiegen. Die erlaubte Freigrenze für Cäsium-137 liegt bei 10.000 Becquerel pro Kilogramm.

Das BfS war gestern um Entwarnung bemüht. Von der belasteten Lauge gehe keinerlei Gefahr für Beschäftigte und Anwohner aus, sagte Nording der taz. In dem Bohrloch befinde sich weniger als ein Liter der kontaminierten Flüssigkeit. Allerdings schwappt in unmittelbarer Nähe ein viel größerer Tümpel mit kontaminierter Brühe. Die verstrahlte Flüssigkeit werde unter Tage aufgefangen, so Nording. Unbefugte kämen damit nicht in Berührung. Die Laugen vor Kammer 12 stammen dem BfS zufolge nicht aus den seit Jahren in das Bergwerk sickernden Zutrittswässern, sondern aus alten Kali-Rückständen. Kammer 12 wurde 1922 in den Salzstock Asse geschlagen und stand dann ein halbes Jahrhundert lang leer. Noch bevor 1973 dort die ersten Atommüllfässer gestapelt wurden, war die Kammersohle schon von Feuchtigkeit durchtränkt.

Die Kontaminationen rühren von den in den Kammern lagernden Fässern mit schwach radioaktivem Müll her. Sie lecken offenbar oder sind ganz durchgerostet. "Vermutlich stehen die Abfälle am Boden der Kammer bereits im Kontakt mit Salzlösungen", heißt es beim BfS. Auch der Göttinger Chemieprofessor Rolf Bertram sieht in der erhöhten Radioaktivität einen "sicheren Hinweis, dass sich eine Auslaugung durch Kontakt zwischen Salzlösungen und defekten Gebinden verstärkt hat".

"Nachrichten aus der fernen Zukunft Gorlebens"

Insgesamt lagern in Kammer 12 etwa 7.500 Fässer. Der Raum wurde nach dem Ende der Einlagerung 1978 wie alle übrigen Kammern verschlossen. Kammer 12 und Kammer 5 sollen in diesem Jahr im Zuge der Probephase für die Rückholung der Abfälle angebohrt werden. Bürgerinitiativen und Oppositionsparteien in Niedersachsen drängen. Die lange angekündigten Vorarbeiten müssten umgehend beginnen, sagte Udo Dettmann vom Asse-2-Koordinationskreis.

Das Umweltministerium in Hannover teilte mit, dass die Genehmigung für Probebohrungen voraussichtlich nächste Woche erteilt wird - dem vom FDP-Mann und Atombefürworter Hans-Heinrich Sander geleiteten Haus war vor"geworfen worden, die Rückholung des Mülls zu sabotieren. Den Austritt radioaktiver Lauge kommentierte Sanders Sprecherin als "erwartbar" - "Die Fässer liegen dort seit Jahrzehnten und korrodieren." Atomkraftgegner im Wendland meinen, der Fall Asse müsse für die Erkundung Gorlebens als Endlager Konsequenzen haben. "Nachrichten aus der Asse nehmen wir auf wie Nachrichten aus der fernen Zukunft Gorlebens", so die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.

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