Energiebranche demoliert ihr Image: Atompannen in Serie

Die AKWs Emsland und Philippsburg melden Zwischenfälle, in Krümmel soll bei der Sicherheit geschlampt worden sein. Umweltminister Gabriel ist "beunruhigt".

AKW Emsland bei Lingen: Ein Störfall in einem Maschinentrafo hatte eine Schnellabschaltung nötig gemacht. Bild: dpa

Notabschaltungen im Atomkraftwerk Emsland nahe dem niedersächsischen Lingen und im Atommeiler Philippsburg in Baden-Württemberg, brisante Details zum Pannenreaktor Krümmel in Schleswig-Holstein - diese neuen Meldungen fachten am Wochenende den Streit über die Atomkraft an.

Nachdem am Freitag früh im RWE-Meiler Emsland ein Störfall in einem Maschinentrafo eine Schnellabschaltung nötig gemacht hatte, musste noch am Abend desselben Tags auch Block 2 des EnBW-Reaktors Philippsburg wegen Transformatorproblemen vom Netz genommen werden. Dort gibt es Unklarheiten zur Qualität des Öls, mit dem die Transformatoren gekühlt werden. Die EnBW-AG sprach von "sicherheitsgerichtetem Verhalten" und versuchte den Eindruck zu erwecken, die Notabschaltung sei eine Art Routineübung. Der Zeitpunkt für eine Routineübung aber wäre ungewöhnlich: Der Meiler war erst zwei Tage zuvor nach einer vierwöchigen Revision wieder ans Netz gegangen.

Christoph Heil, der technische Geschäftsführer des Kraftwerks Philippsburg, hatte noch am Mittwoch zur Wiederinbetriebnahme verkündet, der Reaktor sei "auch nach fast 25Jahren in punkto Sicherheit mindestens genauso gut wie ein neues Kernkraftwerk". Mit der Revision habe man dafür gesorgt, dass das Kraftwerk "auf einem aktuellen, modernen Stand" sei und damit einen "starken Qualitätsbeweis" abgeliefert. Die Störfallmeldung am späten Freitag blieb im Vergleich dazu reichlich wortkarg. SPD-Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nannte die Serie von Abschaltungen "außerordentlich beunruhigend". CDU-Forschungsministerin Annette Schavan bekräftigte unterdessen ihre Pro-Atomkraft-Position: "Wer will, dass Deutschland bei der Energieversorgung eine vernünftige Perspektive hat, darf die Kernkraft nicht verteufeln."

Doch die Branche demoliert ihr Image selbst. Als am Freitag das Kraftwerk Emsland abschmierte, war von fünf RWE-Meilern nur noch ein einziger am Netz. In Megawatt ausgedrückt: Die RWE-Reaktoren brachten zusammen gerade noch 19 Prozent ihrer eigentlichen Leistung. Und nicht nur RWE verliert gerade viel Geld durch Stillstände, bundesweit waren in den letzten Tagen 8 von 17 deutschen Meilern abgeschaltet. Die gesamte Stromerzeugung aus Atomkraftwerken fiel damit zeitweise unter 10.000 Megawatt - damit war nicht einmal mehr die Hälfte aller Kapazitäten am Netz. RWE reagierte darauf am späten Freitagnachmittag auffällig: Nach dem Ausfall des Kraftwerks Emsland wurde der Meiler Gundremmingen B nach langer Revision überraschend schnell zu ungewöhnlichem Termin hochgefahren. Dieser Schritt sei seitens der Kraftwerksleitung nicht wie üblich angekündigt worden, sagt Raimund Kamm vom "FORUM" aus Augsburg, einer Anti-AKW-Initiative aus dem Umfeld des Kraftwerks Gundremmingen. Das sei merkwürdig.

Über neuerliche Ungereimtheiten im schleswig-holsteinischen Störfallreaktor Krümmel berichtete unterdessen der Spiegel: Betreiber Vattenfall habe das Kraftwerk jüngst nach der Revision wieder angefahren, ohne dass ein von der Atomaufsicht gefordertes "Konzept zur Vermeidung des Eintrags von Fremdkörpern" in den Reaktordruckbehälter vollständig umgesetzt worden sei. Nach einem Sachstandsbericht des zuständigen Kieler Sozialministeriums seien dünne Metallspäne die Ursache von Schäden an den Hüllrohren der Brennstäbe. Die Herkunft der Späne ist bislang unbekannt.

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