Flucht vor der Erderwärmung: Brutvögel im Klimastress

Forscher stellen den Vogelatlas 2100 vor. Demnach überlebt nur, wer gen Norden zieht. Das sind nicht nur Brutvögel, sondern auch Moorfrösche.

In den Masuren heute häufig - im Jahr 2100 weiter nördlich: Weißstörche. Bild: dpa

BERLIN taz Wo es in 100 Jahren noch Alpenschneehühner und Weißstörche geben kann, verrät ab sofort ein Klimaatlas der europäischen Brutvögel. Unter der Annahme, dass die Temperaturen in Europa bis zum Jahr 2100 um 3 Grad steigen werden, haben britische Ornithologen für jede Brutvogelart errechnet, wo sie künftig leben könnte.

Die auf Klimamodellen fußende Studie sagt voraus, dass sich die Brutgebiete der Vögel durchschnittlich um etwa 550 Kilometer nach Nordosten verlagern und um rund 20 Prozent schrumpfen werden. Die größten Verluste drohen kältebedürftigen Arten, die in den Alpen und der Arktis brüten. Wenn durch Erwärmung die Klimazonen in den Alpen "bergauf wandern", verschiebt sich die Brutzone des Alpenschneehuhns immer mehr in die Gipfelzonen - bis es nicht mehr höher geht. Das Aussterben der Art ist die Folge. Auch an Feuchtigkeit gebundene Arten wie Weißstorch, Kiebitz und Kranich werden Schwierigkeiten bekommen, Futter zu finden oder geschützt in Sümpfen brüten zu können.

Viele im Vogelatlas errechneten Ergebnisse bestätigen Trends, die sich schon heute abzeichnen. Wärmeliebende Arten wie Bienenfresser, Wiedehopf oder Zwergohreule breiten sich bereits nordwärts aus. Sie könnten gegen Ende des Jahrhunderts in weiten Teilen Deutschlands vorkommen. Auch die 110 Großtrappen, die als Steppenvögel bisher in Brandenburg nur durch intensive Schutzmaßnahmen überlebt haben, könnten dann Aufwind bekommen - falls ihnen nicht Biosprit-Intensiväcker neue Probleme machen.

Entscheidend für das Überleben der Vögel wird in Zeiten des Klimawandels sein, ob sie die neuen Klimazonen erreichen können und ob die künftige Landnutzung ihre Ansiedlung dort zulässt.

Nabu, der Naturschutzbund Deutschland, bezeichnet die Arbeit der britischen Ornithologen als "Meilenstein für das Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur". Der Nabu fordert daher Bund und Länder auf, nicht nur die Emission der Treibhausgase drastisch zu senken, sondern auch im Naturschutz rechtzeitig Weichen zu stellen. Das europäische Schutzgebietsnetz Natura 2000 müsse besser gemanagt und vernetzt werden, um die zu erwartenden Klimafolgen abzupuffern. Nicht nur Vögel werden zu Migranten werden. Auch Moorfrosch, Knabenkraut und Heidelaufkäfer werden auf die Wanderschaft gehen müssen.

RAINER BORCHERDING

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