Gorleben hat Vertragsprobleme: Das Ende fürs Endlager?

30 Jahre alte Verträge, die Grundrechte am unterirdischen Salz betreffen, laufen Ende 2015 ab. Der Umweltminister sieht schon das Aus für Gorleben kommen.

Wem wird das Salz im Stollen Gorlebens gehören? Eine Frage, über die dem potentiellen Endlager zum Verhängnis werden könnte. Bild: dpa

Das seit mehr als 30 Jahren im Salzstock Gorleben geplante Atommüllendlager könnte ein juristisches Problem bekommen. Denn das für die Endlagerung zuständige Bundesamt für Strahlenschutz ist nicht Besitzer des Salzes, in dem AKW-Betreiber und auch CDU und FDP möglichst bald hochradioaktiven Müll versenken wollen. Das Amt hat mit Eigentümern des Salzstocks lediglich befristete Nutzungsverträge abgeschlossen, die die Erkundung des Salzstocks und den Betrieb des Erkundungsbergwerks, aber noch keine Endlagerung erlauben.

"Alle 115 Nutzungsverträge für den Salzstock laufen Ende 2015 aus", sagte ein Sprecher des Amtes. Um das Erkundungsbergwerk über das Jahr 2015 hinaus betreiben zu können, müsste das BfS entweder die bestehenden Verträge verlängern, neue abschließen oder der Staat müsste die Eigentümer des Salzstocks enteignen.

In Deutschland muss hier angefallener Atommüll auch hier endgelagert werden. Aufsichtführende Behörde ist das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Ein Endlager muss nach deutschen Bestimmungen für eine Million Jahre sicher sein.

In Gorleben wurden die seit 1979 laufenden Erkundungsarbeiten im Jahr 2000 im Zuge eines zehnjährigen Forschungsmoratoriums unterbrochen. Seitdem wurden auch keine anderen Standorte untersucht.

Nach einer Untersuchung sind neben Salzstöcken sogenannte Tonsteinformationen möglicherweise für die Endlagerung geeignet. Entsprechende Vorkommen gibt es im Grenzgebiet zwischen Baden-Württemberg und Bayern sowie in Baden-Württemberg nördlich des Bodensees. Die betroffenen Bundesländer haben eine Erkundung strikt abgelehnt.

Die Mitbegründerin und langjährige Vorsitzende der BI Lüchow-Dannenberg, Marianne Fritzen, war auf die Befristung der Gorlebener Erkundungsverträge gestoßen. Beim Sortieren alter Artikel fand sie einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 1978. Dort las sie von der Befristung bis Ende 2015.

Damals im Jahr 1978 wurde in Gorleben noch das deutsche Nukleare Entsorgungszentrum aus Wiederaufarbeitungsanlage, Endlager und mehreren Zwischenlagern geplant. Die Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) wollte dafür von Bauern und Waldbesitzern insgesamt 12 Quadratkilometer Land erwerben.

Für den Kauf von Grundstücken habe die DKW 4,50 D-Mark pro Quadratmeter geboten, erinnert sich Fritzen. "Das war natürlich ein gutes Geschäft", sagt Fritzen.

Dass die Gorlebener Landbesitzer somit fast alle zugleich Salzbesitzer wurden, liegt an einer Besonderheit des damaligen niedersächsischen Bergrechts. Danach gehören die Rechte an Bodenschätzen den Besitzern des darüber liegenden Landes.

Leute, die wie der Waldbesitzer Andreas Graf Bernstorff und mehrere Kirchengemeinden ihre Salzrechte nicht abtraten, erreichten lediglich eine Verkleinerung der erkundeten Endlagerfläche. Ihre Versuche, ihr Salz über die eigens gegründete Salinas Salzgut GmbH abzubauen, wurden bislang von den Bergbehörden unterbunden.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat nach der Wiederentdeckung der alten Erkundungsverträge am Wochenende bereits das Totenglöckchen für das Endlagerprojekt geläutet. Es gebe kaum noch Chancen für eine weitere sachgerechte Erkundung des Salzstocks, meinte der SPD-Politiker.

Letztlich lasse sich das Endlagerprojekt nur mit jahrelangen Enteignungsverfahren verwirklichen, "für die es im Atomgesetz aber keinerlei Rechtsgrundlage mehr gibt", betonte der SPD-Politiker. Für ein gerichtsfestes Enteignungsverfahren fehle die Prüfung von Alternativen zum Gorlebener Salzstock.

Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (BI) will allerdings den neuen Gorleben-Optimismus des Bundesumweltministers bislang nicht teilen. "Das ist nicht das Aus für das Endlagerprojekt Gorleben, aber es stärkt unsere Rechtsposition", sagte gestern BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Er sagt: "Werden die Salzrechte nicht vertraglich neu geregelt, kann unter Tage nicht ausgebaut werden". Die BI müsse aber noch jeden einzelnen Grundstücksbesitzer überzeugen, der seine Salzrechte gewahrt habe.

Die Bürgerinitiative will den bis 2015 noch vertraglich an das BfS gebundenen Salzeigentümern vor allem klarmachen, "dass in Gorleben schon lange nicht mehr erkundet wird, sondern dass es eine Vorfestlegung auf ein Endlager gibt, der man einen Riegel vorschieben muss". Allerdings meint auch Ehmke, dass die BI selbst bei einem CDU/FDP-Wahlsieg nicht am Ende ihres Lateins sein würde. Dann soll das Moratorium, das Rot-Grün einst für die Erkundung des Salzstocks verhängt hatte, aufgehoben werden. Die Gorlebener Eigentumsfragen bleiben aber auch ungelöst.

Allerdings wollen die Bauern aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg gemeinsam mit AKW-Gegnern aus der ganzen Republik zunächst noch vor der Bundestagswahl ein Zeichen setzen. Am 4. September wollen rund 200 Trecker im Konvoi nach Berlin starten und dort bei der Anti-Atom-Demo gegen das Endlager demonstrieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.