Interview SPD-Chef zu Stuttgart 21: "Die Gesellschaft zusammenführen"

Der baden-württembergische SPD-Chef Nils Schmid will einen Volksentscheid zum Bahnhofsneubau. Man könne die Bevölkerung für das Großprojekt gewinnen, meint Schmid.

Während diskutiert wird, schreitet der Abriss fort. Bild: dpa

taz: Herr Schmid, Sie fordern plötzlich einen Volksentscheid zu "Stuttgart 21". Bekommen Sie angesichts der Landtagswahlen in einem halben Jahr Muffensausen?

Nils Schmid: Nein, es geht darum, dass wir die Gesellschaft nicht spalten, sondern zusammenführen wollen. Wenn die Landesregierung unbeeindruckt eine Großbaustelle über viele Jahre hinweg in Konflikt durchziehen will, dann muss das Ministerpräsident Mappus verantworten.

Ihr Fraktionschef Claus Schmiedel meinte, wer ein Moratorium fordert, streue den Menschen Sand in die Augen. Kurz darauf fordern Sie ein Moratorium. Der Chef des Kommunikationsbüros für "Stuttgart 21", Wolfgang Drexler von der SPD, bezeichnet das Projekt als unumkehrbar. Nun fordern Sie einen Volksentscheid. Wer streut hier wem Sand in die Augen?

Die SPD jedenfalls nicht. Wir haben einen ehrlichen Weg gefunden zu einer landesweiten Volksabstimmung. Die finanziellen Konsequenzen für einen Ausstieg wären allerdings enorm. Und es macht keinen Sinn, das Projekt zu stoppen. Es ist aber nicht unumkehrbar.

Sie betonen, dass die Bürger die Kosten für einen Ausstieg bezahlen müssten. Aber der Bau kostet doch viel mehr?

Natürlich, aber dafür bekommen Sie ja nicht nur einen neuen Bahnhof in Stuttgart, sondern vor allem eine hochmoderne ICE-Strecke und eine wesentliche Verbesserung des Schienennahverkehrs. Das ist allemal besser, als das Projekt zu stoppen und dann Entschädigungen leisten zu müssen.

NILS SCHMID, 37, ist seit 2009 Landeschef der SPD in Baden-Württemberg und führt die Sozialdemokraten als Spitzenkandidat in die Landtagswahl 2011. Der promovierte Jurist will im nächsten Jahr "die CDU endlich mal in die Opposition schicken" und würde auch als Juniorpartner mit den Grünen regieren.

In einem "Stuttgarter Appell" haben über 54.000 Bürger den Baustopp des Projekts "Stuttgart 21" und eine Bürgerbefragung dazu gefordert. Zu den Unterzeichnern zählt auch der Ex-Daimler-Chef Reuter.

Was macht Sie sicher, dass das Volk für "Stuttgart 21" abstimmen würde? Die Mehrheit ist landesweit dagegen.

Wenn man gute Argumente für "Stuttgart 21" hat, kann man auch die Bevölkerung davon überzeugen.

Wollen Sie sich mit dem Volksentscheid aus der Verantwortung ziehen?

Im Gegenteil: Wir übernehmen Verantwortung für den Zusammenhalt unseres Landes. Die Volksabstimmung ist ein Weg, aus einer gesellschaftlichen Konfliktlage heraus befriedend zu wirken. Man darf nicht übersehen, dass Stuttgart in Aufruhr ist.

Den Volksentscheid wollen Sie notfalls dann durchführen, wenn Sie mit den Grünen die Wahl gewonnen haben. Die liegen in den Umfragen zurzeit vor der SPD. Würden Sie als Juniorpartner in eine grün-rote Koalition gehen?

Ich gehe davon aus, dass wir die Verhältnisse zwischen SPD und Grünen bis zum März zurechtrücken. Aber das Entscheidende ist für uns, dass unterm Strich die Wachablösung in Baden-Württemberg möglich ist und die CDU endlich mal in die Opposition geschickt wird.

Der Vorsprung der Grünen vor der SPD beträgt derzeit 6 Prozent. Für den Machtwechsel müssten Sie als Juniorpartner in die Koalition gehen.

Was immer die Urnen am 27. März ergeben, wir werden das Ergebnis respektieren.

Das heißt: Juniorpartner.

Das entscheiden wir, wenn es so weit ist. Aber klar ist: Wir kämpfen dafür, dass Schwarz-Gelb im Land abgelöst wird.

Würden Sie Schwarz-Grün in jedem Fall verhindern?

Die Grünen müssen sich entscheiden, ob sie die CDU in Baden-Württemberg an der Regierung lassen wollen oder ob sie für einen echten Politikwechsel antreten.

Im Moment müssten Sie das entscheiden.

Unsere Entscheidung ist klar: Wir wollen die CDU in die Opposition schicken.

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