RWE hat Klage eingereicht: Ein Kampf um Biblis

RWE reicht Klage gegen die Stilllegung der Altmeiler Biblis A und B ein. Vattenfall und Eon hingegen wollen nicht gegen das Moratorium vorgehen, EnBW hält sich bedeckt.

Die Betreiber des Akw Biblis wollen partout nicht abschalten. Kein Wunder, so ein Akw bringt am Tag ungefähr eine Million Euro Profit. Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN taz | Die RWE Power AG hat am Freitag beim zuständigen Verwaltungsgerichtshof in Kassel Klage gegen die Anordnung der hessischen Atomaufsichtsbehörde vom 18. März zur einstweiligen Einstellung des Betriebes des AKW Biblis eingereicht.

Der Essener Atomkonzern, der die Reaktorblöcke A und B in Biblis betreibt, meint nämlich, dass "keine rechtlichen Voraussetzungen" für die zunächst auf drei Monate befristete Stilllegung der beiden Atommeiler vorliegen würden. Wie das Unternehmen am Vormittag in seiner Erklärung weiter mitteilte, könne die Bundesregierung die Abschaltung der beiden Altmeiler im Hessischen Ried nicht mit einer Berufung auf Paragraf 19 des Atomgesetzes begründen, in dem es lediglich um die Ergreifung von Schutzmaßnahmen bei einer akuten Gefahrenlage gehe. Tatsächlich würden jedoch beide Reaktorblöcke "die geltenden Sicherheitsanforderungen erfüllen". Für eine Betriebseinstellung fehle daher die "rechtliche Maßgabe".

Auch die meisten Verfassungsrechtler sind der Ansicht, dass die Mitte März per Moratorium erfolgte befristete Stilllegung von acht Atomkraftwerken - darunter dreien, die zu diesem Zeitpunkt nicht in Betrieb waren - rechtlich nicht zulässig war. Paragraf 19 Absatz 3 Atomgesetz sei eine Vorschrift zur Abwehr konkreter Gefahrensituationen, die in Deutschland aktuell aber nicht zu konstatieren seien, sagt beispielsweise der Karlsruher Verfassungsrechtler Christian Kirchberg.

Biblis A (RWE): Ging 1974 ans Netz. Leistung: 1.225 Megawatt (MW).

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Biblis B (RWE): Inbetriebnahme 1976. Der 1.300-MW-Reaktor ist derzeit wegen Revision vom Netz.

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Neckarwestheim 1 (EnBW): Ebenfalls 1976 in Betrieb genommen. Leistet 840 MW.

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Brunsbüttel (Vattenfall 67 Prozent, Eon 33 Prozent): 1977 fertiggestellt, könnte 806 MW leisten. Seit 2007 aber wegen Störfall und Reparaturen abgeschaltet.

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Unterweser (Eon): Wurde 1978 fertig. Nennleistung 1.410 MW.

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Isar 1 (Eon): Seit 1979 ist das 912-MW-Kraftwerk in Betrieb.

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Philippsburg 1 (EnBW): 926 MW Leistung, ebenfalls seit 1979.

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Krümmel (Vattenfall und Eon je 50 Prozent): Nach einem Trafobrand wurde das AKW 2007 abgeschaltet. Läuft es, leistet es 1.402 MW. (wir)

Moratorium "verfassungsrechtlich bedenklich"

Auch dass mit einem solchen Moratorium ein geltendes Gesetz außer Kraft gesetzt werde, sei "außerordentlich problematisch und verfassungsrechtlich bedenklich". Er plädiert stattdessen dafür, ein spezielles Stilllegungs- und Ausstiegsgesetz zu konzipieren oder das geltende Atomgesetz zu ändern - eine Forderung, die auch SPD, Grüne und Linke erheben. So bot der sozialdemokratische Ministerpräsident Kurt Beck noch im Landtagswahlkampf in Rheinland-Pfalz CDU und FDP auf Landes- und Bundesebene dafür einen "Pakt" an. Nur mit einem "sauberen Ausstiegsgesetz" könne auf die fürchterliche Katastrophe in Japan angemessen reagiert werden.

Um was es RWE mit der Klage eigentlich geht, legte das Unternehmen am Freitag gleich mit offen: "Mit diesem Schritt stellt RWE die Wahrung der Interessen seiner Aktionäre sicher." An der Börse stieg der Kurs der RWE-Aktien am Freitag denn auch wieder.

Tatsächlich soll RWE durch die Abschaltung seiner beiden hessischen Altreaktoren täglich rund 700.000 Euro verlieren. Atomkritische Organisationen haben das errechnet. Bestätigen wollte das Unternehmen diese Summe aber nicht.

Klage-Ankündigung inmitten der Sicherheitsankündigungen

Dass sich RWE gerade jetzt zur Klage gegen die immer noch als "vorübergehend" apostrophierte Stilllegung entschlossen hat, dürfte zum einen mit der Ankündigung der Reaktorsicherheitskommission zusammenhängen, das Risiko von Flugzeugabstützen mit in die beabsichtigte Sicherheitsüberprüfung aller deutschen Atomkraftwerke mit einzubeziehen. Denn dass die beiden Reaktoren in Biblis nicht gegen Abstürze großer Jets oder gegen terroristische Attacken damit ausgelegt sind, ist seit Jahrzehnten bekannt. Auch erdbebensicher sind die Meiler nicht.

Zum andern kann RWE jetzt nicht mehr mit der Unterstützung durch die hessischen Regierungsparteien CDU und FDP rechnen. Selbst der bislang extrem atomfreundliche, die atomkritischen oppositionellen Grünen im Landtag immer wieder rüde attackierende Chef der hessischen FDP, Justizminister Jörg-Uwe Hahn, sprach sich am vergangenen Mittwoch für eine endgültige Stilllegung wenigstens von Block A - dem ältesten Atommeiler in Deutschland - aus.

Grüne im Landtag: "Unerträgliche Provokation"

Die Grünen im Landtag nannten den juristischen Vorstoß von RWE denn auch eine "unerträgliche Provokation". Jetzt müsse das Atomgesetz schnell geändert werden, "damit es am Ende nicht noch zu der unerträglichen Situation kommt, dass die hessischen Steuerzahler Geld an den Konzern zahlen müssen", so Partei- und Fraktionschef Tarek Al-Wazir. Und Al-Wazir kritisierte die "chaotische Atompolitik" der Landesregierung, die es so weit habe kommen lassen, heftig: "Wer den Atomkonzernen willfährig zu Diensten war, als es um die Laufzeitverlängerung der Uralt-AKWs in Biblis ging, der darf sich nicht wundern, wenn die Konzerne die eingeplanten Gewinne jetzt auch einfahren wollen." Auch die saarländische Umweltministerin Simone Peter (Die Grünen) forderte "die sofortige Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Abschaltung der sieben stillgelegten Atomkraftwerke plus Krümmel".

Mit seinem Konfrontationskurs gegen die Bundesregierung steht RWE bislang in der Energiewirtschaft allein auf weiter Flur. Konkurrent Eon hatte im Gegensatz entschieden, auf eine Klage gegen das Moratorium zu verzichten. "Wir wollen uns mit Argumenten an der Diskussion über die Zukunft der Kernenergie beteiligten, nicht mit juristischen Grabenkämpfen", sagte ein Eon-Sprecher.

Vattenfall nicht von Stillegung betroffen

Vattenfall als weiterer Kernkraftwerksbetreiber in Deutschland ist nach eigenen Angaben nicht von der Stilllegung betroffen, da seine Meiler in Krümmel und Brunsbüttel ohnehin bereits seit Jahren keinen Strom produzieren. Eine Klage sei deshalb kein Thema, hieß es bei dem Unternehmen.

Der baden-württembergische Energiekonzern EnBW hält sich indes weitere Schritte noch offen und gibt sich vorsichtig. Vom Konzern wurden die beiden Altmeiler Philippsburg 1 und Neckarwestheim 1 vorübergehend vom Netz genommen. Noch-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte zudem angekündigt, dass Neckarwestheim 1 für immer stillgelegt werden solle.

"Wir prüfen den Bescheid", hieß es am Freitag in einer Stellungnahme der EnBW. "Dies ist ein üblicher Vorgang und nicht gleichzusetzen mit der Prüfung oder Vorbereitung einer Klage. Wenn entschieden ist, ob wir klagen, werden wir kommunizieren."

EnBW-Klage wegen Grün-Rot unwahrscheinlich

Da die EnBW vorwiegend im Besitz der öffentlichen Hand ist und das künftig von Grün-Rot regierte Land einen Anteil von 45 Prozent der Aktien hält, ist es aber unwahrscheinlich, dass sich die Geschäftsführung für eine Klage entscheidet. Sie würde sich damit gleich einen Affront gegen die neue Landesregierung leisten. Die Grünen-Fraktion gab am Freitag auf taz-Anfrage keine Stellungnahme zu einer möglichen Klage gegen das Moratorium ab.

Ausweichend äußerte sich auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Die Konzerne müssten ein Eigeninteresse daran haben, dass es einen verlässlichen neuen Energiekonsens gibt. Nur der garantiere ihnen Planungssicherheit für Investitionen. Angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung mit der Laufzeitverlängerung einen Konsens aufgekündigt und die Planungssicherheit für die Stadtwerke ruiniert hat, ein bemerkenswertes Argument. Der Energiekonsens werde nicht vor Gericht, sondern in der Gesellschaft und im Parlament gefunden. Dies ist eine indirekte Warnung an Konzerne vor Klagen. Denn am Ende des Moratoriumsprozesses wird, so Röttgen, "ein neues Atomgesetz stehen".

Ulrich Kelber, SPD-Energieexperte, wurde deutlicher: Die Klage von RWE, sagte er der taz, "ist dreist - gerade vor dem Hintergrund der Mängel bei Biblis A". Allerdings sei auch Schwarz-Gelb schuld: "Die Bundesregierung hat sich das selbst eingebrockt, weil sie keine klare Rechtsgrundlage für den Ausstieg geschaffen hat." Auch Kelber fordert ein neues Atomgesetz. "Wir können so ein Gesetz in der kommenden Woche verabschieden - wenn es die Bundesregierung will." Mitarbeit: Nadine Michel, Stefan Reinecke

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