Stuttgart 21: Eine Stadt wehrt sich

Der Widerstand gegen "Stuttgart 21" wächst. Großdemonstration am Sonnabend. Die große Abrechnung soll bei der Landtagswahl kommen. Die Bahn brauche "politischen Druck".

Der "alte" Stuttgarter Hauptbahnhof. Bild: dpa

Wer protestieren möchte, muss nahe des Stuttgarter Hauptbahnhofs nur den grasgrünen Jutebeuteln folgen. "Nein zu Stuttgart 21" steht auf ihnen. Sie sind ein Markenzeichen des Protests, der immer größere Kreise zieht in der baden-württembergischen Landeshauptstadt.

Jeden Montag treffen sich die Gegner des Bauprojekts am Nordausgang des Hauptbahnhofs. Am Anfang waren es drei. Inzwischen liegen die Teilnehmerzahlen regelmäßig im vierstelligen Bereich. Wer auf dem Bahnhofsgelände ankommt, steht nicht lange allein. Freundlich begrüßen sich die Leute einander, schütteln fleißig Hände, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter. Die Demonstrierenden kommen inzwischen aus allen Altersgruppen und allen Schichten. Trotz der heiteren Stimmung eint sie alle der Zorn auf ein Bahnprojekt, von dem sie keinerlei Verbesserungen, sondern nur Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe erwarten.

Dabei kämpfen sie gegen ein Projekt, das eigentlich längst beschlossene Sache ist. Ende vergangenen Jahres wurde das Milliardenvorhaben verabschiedet. Im Februar war der offizielle Baubeginn.

Trotzdem glauben die Demonstrierenden unbeirrt an ihr Ziel: "oben bleiben". Diese Formel steht für den Kampf für den oberirdischen Kopfbahnhof, gegen einen unterirdischen Durchgangsbahnhof, den die Spitzen der Bundes-, Landes- und Stadtpolitik sowie der Deutschen Bahn seit den Neunziger Jahren planen.

Seit die Verträge unter Dach und Fach gebracht wurden, müsste der Protest eigentlich abflauen. In der südwestlichen Landeshauptstadt passiert das Gegenteil.

An diesem Samstag wollen die Gegner noch sichtbarer werden. Für eine geplante Großdemonstration in der Stuttgarter Innenstadt lautet die offizielle Zielmarke "10.000 plus x", angemeldet ist die Demo für 15.000 Teilnehmer. Keiner, weder die Projektbefürworter noch die Gegner selbst, haben mit so einem Anwachsen der Bürgerbewegung gerechnet.

"Aber die Stadt ist selbstbewusster geworden", sagt Gangolf Stocker von der Initiative "Kopfbahnhof 21". Die Stadt erhebe endlich ihre Stimme. "Das Projekt wird jetzt diskutiert und nicht mehr nur hingenommen." Dafür sei viel Informationsarbeit nötig gewesen. "Aber inzwischen ist der Informationsstand bei den Bürgern höher als bei meinen Stadtratskollegen", sagt Stocker. Mehr Informationen, höheres Selbstbewusstsein - die Stärke der Bürgerbewegung erklärt das nur in Teilen.

"Auch eine soziale Komponente spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Leute wissen, dass sie etwas Gutes tun, treffen dabei aber auch Freunde und Bekannte und fühlen sich einem Netz zugehörig", sagt Werner Wölfle, der grüne Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat. Auch dank der Missstimmung gegen "Stuttgart 21" wurden die Grünen bei der Kommunalwahl vor einem Jahr stärkste Fraktion.

In dieser Woche hat ein Gutachten der Zürcher Firma SMA zusätzlich Öl ins Feuer gegossen. Wie das Magazin Stern berichtet, stellen die Schweizer den Plänen wegen "Fahrzeitverlängerungen" und "Engpässen" ein vernichtendes Urteil aus.

Die große Abrechnung für all das soll bei der Landtagswahl kommen. Auf ihr ruhen die Hoffnungen. "Ich halte die Landtagswahl schon für einen wichtigen Hebel", sagt Gerhard Pfeifer von der Protestbewegung. Die Bahn brauche "politischen Druck".

Und schließlich verweisen alle zuversichtlich auf ein anderes Prestigeprojekt: Denn auch der Transrapid sei im Nachbarland Bayern wegen extrem hoher Kosten letztlich gescheitert.

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