Erdbeben im Saarland: Eingestürzte Hohlräume im Bergwerk

Das Erdbeben erreicht die Stärke 4. Kritiker des Bergbaus vermuten, dass Hohlräume in einem Kohlebergwerk eingestürzt sind. Der Abbau wurde vorläufig eingestellt.

In 1500 Metern Tiefe sollen die Sandsteindecken eingestürzt sein. Bild: dpa

Im Saarland bebte am Samstag gegen 16.30 Uhr die Erde. Beben gab es schon öfter, doch so heftig wie diesmal war es noch nie: Nach der Richterskala hatte das Beben im Steinkohleabbaugebiet Primsmulde Süd die Stärke 4. Häuserwände rissen ein, Dachziegel stürzten herab, und ein Auto wurde von Teilen eines abgerissenen Schornsteins getroffen. Notärzte mussten sich überall um gestresste Menschen kümmern, die wegen der psychischen Belastungen gesundheitliche Probleme bekamen.

Von der Kirche in Saarwellingen im Zentrum des Bebengebietes stürzte die schwere Gaube herab und zerschellte vor dem Eingang. Verletzt wurde niemand. Noch eine halbe Stunde vorher habe dort eine Bibelstunde für Kinder stattgefunden, berichtete Landwirt Mathias Paul von der Interessengemeinschaft zur Abwendung von Bergbauschäden (Igab). Am Samstagabend hätten sich rund 2.000 Menschen zum Protest gegen den weiteren Kohleabbau speziell in der Primsmulde Süd und generell im ganzen Saarland spontan an der Kirche versammelt. Die Stimmung sei "explosiv" gewesen. Als dann Ministerpräsident Peter Müller (CDU) dort eintraf, um die Schäden zu begutachten, habe es "ein Pfeifkonzert gegeben".

Müller sprach von einem Abbaustopp für die Primsmulde; "allerdings nur von einem vorläufigen", erzählt Paul enttäuscht. Seine Ökoäcker mit Möhren und Kohl sowie der Hofladen liegen in unmittelbarer Nähe des betroffenen Gebietes.

Nach Informationen der Igab wurde das Erdbeben durch einstürzende Hohlräume im Bergwerk ausgelöst. Offenbar seien die schweren Sandsteindecken über zwei parallel ausgebeuteten und danach abgestützten, leeren Streben eingestürzt, hieß es. Die Deutsche Steinkohle AG (DSK), die im Gebiet Primsmulde Süd noch rund 3.500 Bergleute beschäftigt, gab dagegen lediglich bekannt, dass sich das Beben in einer Tiefe von 1.500 Metern ereignet habe. Dabei sei es zu einer "Schwinggeschwindigkeit" des Gesteins von bis zu 93,5 Millimeter pro Sekunde gekommen; der höchste bislang gemessene Wert lag bei 42,3 Millimeter. Das Unternehmen hat jetzt Gutachter beauftragt, "so schnell wie möglich die Ursachen der Erschütterungen zu klären". Bis dahin würde dort der Kohleabbau eingestellt.

Schon 2004 protestierten die Bürger der Region wegen der "drohenden Einsturzgefahr" monatelang gegen die von der DSK betriebene Erweiterung des Abbaugebiets Primsmulde Süd. Doch trotz der angeblich auch "klaren Absage an den hoch subventionierten Kohlebergbau" der CDU-Alleinregierung an der Saar wurden die Anträge der DSK im September 2006 vom Bergamt Saarbrücken letztlich doch genehmigt.

Dass es jetzt ausgerechnet durch einen Einsturz im Abbaufeld Primsmulde Süd zum größten Erdbeben aller Zeiten an der Saar kam, dürfte den von CDU, FDP und Grünen im Saarland befürworteten Ausstieg aus dem Kohlebergbau beschleunigen. Zurzeit wird noch jeder Arbeitsplatz im Steinkohlebergbau nicht nur an der Saar mit über 80.000 Euro pro Jahr subventioniert. Auch das eigentlich bettelarme und exorbitant verschuldete Saarland muss sein Scherflein dazu beitragen.

Die Linkspartei des Saarlandes forderte die CDU-Landesregierung auf, eine Beschäftigungsgesellschaft einzurichten, um den Bergleuten eine Perspektive jenseits der Kohle zu geben.

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