Alternativ-Nobelpreis für Erwin Kräutler: Einheit von Mensch und Natur

Der austrobrasilianische Bischof Erwin Kräutler kämpft gegen die Ausbeutung der Menschen und engagiert sich für die Indigenen. Ihr Denken prägte seine Theologie der "Mit-Welt".

Er fühlt sich ohnmächtig angesichts vieler Ungerechtigkeiten: der Vorsitzende des Indianermissionsrates Erwin Kräutler. Bild: dapd

PORTO ALEGRE taz | Er ist ein unermüdlicher Verteidiger der brasilianischen Ureinwohner, Seelsorger in Amazonien, aktiver Befreiungstheologe in Wort und Tat: Der austrobrasilianische Bischof Erwin Kräutler (71) ist ein Prototyp jener Basiskatholiken, die Brasiliens politische Kultur seit den sechziger Jahren entscheidend mitgeprägt haben.

1939 im österreichischen Vorarlberg geboren, folgte Kräutler 1965 seinem Onkel Erich als Missionar ins brasilianische Amazonasgebiet. Dort leitet er seit 1981 die Diözese Xingu. Als Vorsitzender des Indianermissionsrates Cimi streitet er zudem für die Rechte der Indígenas in ganz Brasilien.

"Ich spüre Ohnmacht angesichts so vieler Ungerechtigkeit", bekennt Kräutler in seinem Buch "Mein Leben ist wie der Amazonas" - und zeigt sich zugleich "empört über all die Ausbeutung und Plünderung der Menschen und ihrer Mit-Welt".

"Mit-Welt" ist ein zentraler Begriff in Kräutlers Variante der Befreiungstheologie, die stark von der indigenen Weltsicht geprägt ist. Anders als in der Logik der westlichen, vom rationalen Fortschrittsglauben angetriebenen Entwicklungsideologie, sieht er Mensch und Natur als Einheit.

Auch deswegen hat er sich zum wortmächtigen Gegenspieler von Präsident Lula da Silva in Amazonien entwickelt. In den letzten Jahren konzentrierte Kräutler seine Anstrengungen auf den Kampf gegen den geplanten Riesenstaudamm Belo Monte - oder "Belo Monstro", wie er selbst zu sagen pflegt.

Für Kräutler ist das Megaprojekt mitten im Regenwald, das Lula vor Monaten genehmigt hat, "pharaonisch" und "größenwahnsinnig". In seinem Wohnort Altamira war er Gastgeber bereits mehrerer Großtreffen gegen Belo Monte. Durch sein unerschrockenes Auftreten hat sich der Bischof viele Feinde gemacht. Einflussreiche regionale Politiker, Großgrundbesitzer, Landspekulanten, Energiefirmen, Holzhändler und Geschäftsleute sehen durch ihn ihre Geschäfte bedroht. Kräutler, der bereits 1987 bei einem Attentat schwer verletzt wurde, steht seit Oktober 2006 unter Polizeischutz. Zwei Jahre später setzten Unbekannte 367.000 Euro auf seine Ermordung aus.

Derzeit sei er "sehr begeistert" über die Stärke der Protestbewegungen gegen Belo Monte, berichtete Roberto Liebgott, Kräutlers Stellvertreter im Indianermissionsrat, der taz. "Der Preis kommt im richtigen Moment", freut er sich, "er wird bestimmt die Mobilisierung der indigenen Völker am Xingu und im Bundesstaat Mato Grosso do Sul beflügeln."

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