Größte Biogasaanlage gestartet: Erdgasqualität aus Gülle

In Sachsen-Anhalt ist Deutschlands größte Biogasanlage in Betrieb gegangen. Eingespeist wird das aufbereitete Biogas ins allgemeine örtliche Erdgasnetz.

Wird nun unterscjiedliche Wege gehen: Gülle. Bild: dpa

Biogas gilt als das Multitalent unter den erneuerbaren Energien, denn es kann - witterungsunabhängig - für die Strom- und Wärmeerzeugung sowie als Treibstoff genutzt werden. Gewonnen wird es aus Energiepflanzen (Mais, Getreide), Ernte- und Lebensmittelrückständen (wie Rübenblätter, Kartoffelschalen), tierischen Exkrementen (Gülle, Mist) oder Klärschlamm. 2007 gab es in Deutschland insgesamt 3.711 Biogasanlagen, die überwiegend in lokalen Blockheizkraftwerken Strom und Wärme produzieren. Wegen Unsicherheit über die künftige Förderung gab es im vergangenen Jahr allerdings einen Stillstand vor allem bei kleineren Hofanlagen, kritisiert die Informationskampagne für Erneuerbare Energien. Die Einspeisung von Biogas ins allgemeine Gasnetz ist bisher die Ausnahme, weil die technischen und rechtlichen Hürden dafür hoch sind. Durch eine Änderung der Netzzugangsverordnung soll dies künftig erleichtert werden.

Die Biogaserzeuger streben ins allgemeine Gasnetz. Kurz vor Weihnachten ging in Könnern bei Halle in Sachsen-Anhalt die größte deutsche Produktionsstätte für Bio-Erdgas ans Netz. Am gestrigen Dienstag stellte der Betreiber, die Agricapital GmbH aus Münster, die neun Millionen Euro teure Pilotanlage der Presse vor. "Damit gehen wir den ersten Schritt von der dezentralen Energieerzeugung zu einer netzzentrierten Produktion", sagte Geschäftsführer Bernd Hugenroth. Bislang wurde Biogas nur lokal zur Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt. Nun kann es auch außerhalb des ländlichen Raumes genutzt werden.

Der Standort Könnern biete sowohl ausreichende Agrarflächen in der Umgebung als auch die für Ostdeutschland typische dichte Gasleitungsinfrastruktur, sagte Hugenroth. Die Rohstoffe für die Gaserzeugung bauen Landwirte auf ungefähr 750 Hektar Fläche an. Verarbeitet werden jährlich etwa 30.000 Tonnen Gülle, Getreide und Maissilage. Abnehmer des Bio-Erdgases ist der mitteldeutsche Energieversorger Mitgas.

Das durch Fermentation durch Bakterien aus Biomasse gewonnene Biogas enthält im Durchschnitt nur etwa zwei Drittel Methan. Erdgasqualität wird durch Anreicherung in einer so genannten Druckwasserwäsche erreicht. Dabei werden Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff in Wasser gebunden. Der Brennwert des nunmehr 97-prozentigen Methangases lässt sich durch zugeführtes Propan noch steigern. Mit einer Beimengung des typischen Geruchsstoffes und einer Druckerhöhung auf 16 Bar ist die Kompatibilität zum üblichen Erdgas erreicht. Der Energieaufwand zur Veredelung verschlechtert den hohen Gesamtwirkungsgrad von etwa 85 Prozent des Biogaseinsatzes nur um maximal fünf Prozent. In Könnern lieferte der schwedische Ausrüster Malmberg die entsprechende Technik.

Sechs Millionen Kubikmeter Erdgas, gewonnen aus 10 Millionen Kubikmetern Biogas, will Agricapital jährlich ins Mitgas-Netz im Raum Halle-Leipzig einspeisen. Diese Gasmenge entspricht allerdings nur dem Bedarf von etwa 2.000 Vierpersonenhaushalten. Geschäftsführer Hugenroth räumt ein, dass dieses Gas vorerst noch teurer als fossiles Erdgas ist. Wirtschaftlich attraktiv wird es erst durch Nutzung in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Einspeisungsvergütung für Strom erhalten. In solchen Kunden sieht die Mitgas auch die Hauptzielgruppe. Geschäftsführer Jens Horn will dennoch künftig 42 Millionen Kilowattstunden Bio-Erdgas im Jahr über das bestehende Netz anbieten. "Auch wenn Erdgas weiterhin langfristig nicht aus dem deutschen Energiemix wegzudenken ist, sehen wir in Biogas einen regenerativen Energieträger mit großem Potenzial", sagte Horn. Man arbeite derzeit an Modellen, das Gas auch Haushalts- und Gewerbekunden günstig anbieten zu können.

Agricapital plant bereits vier weitere vergleichbare Anlagen. Eine ähnliche Debatte wie die über Sinn und Grenzen der Biodieselproduktion erwartet Bernd Hugenroth beim Biogas nicht. "Die Vergasung ist effektiver", argumentiert er. Von einem Hektar Anbaufläche könnte ein Pkw mit Gasmotor 80.000 Kilometer fahren, während er mit Biosprit nur 25.000 Kilometer weit käme. Von 13 Millionen Hektar Ackerfläche in der Bundesrepublik seien außerdem nur 310.000 Hektar für die Biogaserzeugung genutzt. Die Reserven reichten aus, den Markt noch auf das Vier- bis Fünffache wachsen zu lassen.

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