Gen-Kartoffel Amflora: Es ist angerichtet

Erstmals ist der kommerzielle Anbau der Gen-Kartoffel EU-weit erlaubt. Ob die Knolle nur industriell genutzt wird, bleibt fraglich.

Feldversuch mit Amflora in Bütow (Müritzkreis). Umweltschützer meinen aber: trotz Zulassung besteht keine Gefahr. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Der neue Gesundheitskommissar John Dalli hatte es eilig. Nach gerade einmal vier Wochen im neuen Amt setzte der maltesische Exminister und Jurist gestern seine Unterschrift unter die Zulassung für die genveränderte Kartoffel Amflora. Die Knolle, die eine Antibiotikaresistenz enthält, darf nun als Lebensmittel und Tierfutter in der Europäischen Union angebaut und verkauft werden. Damit ist trotz der Bedenken von Gesundheitsexperten genverändertes Saatgut für den Anbau in der EU zugelassen worden.

Beobachter fragen sich, warum diese Entscheidung ausgerechnet zu einem Zeitpunkt kommt, wo eine grundlegende Wende in der Zulassungspolitik erwartet wird. EU-Kommissionspräsident Barroso hat bis zum Sommer einen Vorschlag angekündigt, wie es Mitgliedsstaaten rechtlich ermöglicht werden soll, genveränderten Anbau auf ihrem Territorium auf Dauer zu verbieten. Mehrere EU-Länder, darunter Deutschland, genehmigen den Anbau des seit 1998 zugelassenen Genmaises MON810 nicht, bewegen sich damit aber in einer rechtlichen Grauzone. Amflora allerdings will BASF bereits in diesem Frühjahr in Tschechien und Deutschland anpflanzen

Experten der EU-Kommission und der Europäischen Lebensmittelzulassungsbehörde EFSA argumentieren, dass BASF die Kartoffel nicht als Nahrungsmittel, sondern zu industriellen Zwecken entwickelt habe. Die darin enthalte Stärke eignet sich besonders gut zur Papierherstellung. Doch die nun erteilte Zulassung schließt eine andere Nutzung nicht aus. Es ist sogar ausdrücklich vorgesehen, dass Abfallprodukte aus der Stärkegewinnung als Futtermittel verwertet werden. Für den Anbau hat die Kommission strenge Auflagen erlassen. Weder auf dem Acker noch bei der Ernte oder beim Transport darf Amflora mit anderen Kartoffeln in Berührung kommen. Im Folgejahr dürfen keine genfreien Kartoffeln auf einem Amflorafeld angebaut werden. Doch letztlich erlaubt die Kommission eine unabsichtliche Verschmutzung traditioneller Kartoffelprodukte von bis zu 0,9 Prozent.

"Nach ausführlicher und gründlicher Analyse der fünf offenen Zulassungsanträge war es klar für mich, dass alle wissenschaftlichen Aspekte ausführlich berücksichtigt wurden", erklärte Dalli gestern. Nach der langen Übergangsphase einer nur kommissarisch amtierenden EU-Kommission sei es nun Zeit, offene Entscheidungen abzuschließen. "Die EU muss sich an ihre eigenen juristischen Regeln halten und Rechtssicherheit herstellen", erklärte Dalli. Genau das aber tut die EU-Kommission nach Überzeugung vieler Experten nicht. In der Richtlinie, auf die sich die Zulassung von Amflora gründet, wird ausdrücklich festgelegt, dass von Ende 2004 an in der EU keine genveränderten Pflanzen mehr angebaut werden sollen, die gesundheitsbedenkliche Antibiotikaresistenzen enthalten. Sowohl die Weltgesundheitsorganisation als auch die Europäische Arzneimittelbehörde halten es für möglich, dass Amflora die Wirksamkeit bestimmter Medikamente einschränken könnte, die gegen Tuberkulose eingesetzt werden. Sogar innerhalb der Lebensmittelzulassungsbehörde EFSA hatten zwei Gutachter vergangenen Sommer erstmals vor den gesundheitlichen Risiken gewarnt.

Noch kurz vor ihrem Ausscheiden aus der EU-Kommission hatte Dallis Vorgängerin Androulla Vassiliou Ende Januar auf eine Anfrage des EU-Parlaments zu Amflora geantwortet: "Die Kommission prüft derzeit die Auswirkungen der Stellungnahme der EFSA hinsichtlich des Risikomanagements für alle genetisch veränderten Erzeugnisse, die Antibiotikaresistenzen enthalten." Diese Prüfung hält Dalli offensichtlich für überflüssig. Eine Übertragung der Resistenzen auf Krankheitserreger sei völlig ausgeschlossen, erklärte eine Mitarbeiterin seiner Abteilung gestern. Falls es aber doch dazu komme, sei das ohnehin bedeutungslos, da derartige Resistenzen bei Tuberkuloseerregern schon jetzt zu finden seien.

Der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling meint: "Damit stellt der europäische Gesundheitskommissar die Interessen eines Unternehmens an einer Kartoffel für industrielle Verwertung höher als das Menschenrecht auf Gesundheit."

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