Streit um Naturschutzgebiet: Gabriel machtlos im Urwald

Im fränkischen Steigerwald bekommt der Umweltminister eine Ahnung, warum es mit dem Artenschutz nicht klappt. Gegner und Befürworter eines Nationalparks bekämpfen sich.

In diesem Urwald hatte Gabriel es einfacher als vor seiner Haustür. Bild: dpa

EBRACH Auf den Buchenstamm ist mit weißer Farbe ein Galgenmännchen gemalt. Darunter steht "Sperber". Georg Sperber, 75, ehemals Forstdirektor, ist derjenige, der besonders dafür kämpft, dass der fränkische Steigerwald Nationalpark wird. Das wollen viele aber nicht, darum wird Sperber angefeindet. Die Schmiererei wird weggewischt, doch der Ärger bleibt.

Von dem bekam auch Sigmar Gabriel gestern einiges mit. Der Bundesumweltminister tourt diese Woche durch Deutschland und will beweisen, dass es ihm ernst ist mit der Natur. Am Dienstag hat er schon gegen die bayerische Landesregierung gewettert, die die Donau mit Staustufen ausbauen will. Deutschland könne weltweiter Vorreiter beim Artenschutz werden, glaubt der SPD-Politiker. Doch sein Projekt ist gefährdet.

Nirgendwo zeigt sich das so deutlich wie im Steigerwald. Gabriel soll sich hier ins Goldene Buch der idyllischen Kleinstadt Ebrach eintragen. Eigentlich ein Routinetermin. Doch die Polizei hat den Ort abgeriegelt, kein Auto, kein Traktor darf reinfahren. Die Angst ist zu groß, dass wütende Franken den Weg des Ministers blockieren.

Bauern, Bürgermeister und Sägereibesitzer fühlen sich von Naturschützern drangsaliert. Sie haben sich im April dieses Jahres im Verein "Unser Steigerwald" zusammengetan. Sie sind überzeugt, dass die 10.000 Hektar Staatsforst, die zum Nationalpark werden sollen, ihren Wert verlieren, weil mindestens auf der Hälfte der Fläche nicht mehr gesägt und kein Brennholz gesammelt werden darf. Ihr prominentester Unterstützer: CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos. Er hält die Bewirtschaftung durch die Eigentümer "für vorbildlich" und die Ausweisung eines Nationalparks für unnötig.

100 Parkgegner und 100 Befürworter sind zu Fuß nach Ebrach gekommen, um dem Umweltminister ihre Meinung zu sagen. Die einen tragen weiße T-Shirts mit der Aufschrift "Ein Herz für den Steigerwald. Ja zum Nationalpark". Die anderen, hundert Meter weiter, haben schwarze T-Shirts mit dem Schriftzug "Nationalpark nein".

Gabriel will reden, zunächst mit den pfeifenden Gegnern. Sie halten Schilder hoch: "Totholz, Käfer und Kleingetier, zählt das mehr als die Bevölkerung hier?" CSU-Lokalpolitker Gerhard Eck ruft: "Die Menschen haben Angst, ihre Heimat zu verlieren." Fast alle Gemeinden in der Region seien gegen den Nationalpark.

Gabriel plaudert ein wenig, dass er aus dem Harz kommt, dass es dort Anfang der 1990er-Jahre eine ähnliche Debatte gab. Es sei doch immer so: "Je weiter entfernt man wohnt, umso besser fände man die Nationalparkidee." Er bekommt Applaus. Es ist typisch für Gabriel, wie er die Gegner einnimmt. Die Sorgen sind anfangs "riesengroß", sagt er noch. Doch dann zeige sich: Der Titel zöge Touristen an, könne zum Wirtschaftsfaktor werden. Das will in dieser Gruppe freilich keiner hören. Bei den Befürwortern kommt Gabriel mit denselben Sätzen besser an. Nur: Zusagen macht er an keine Seite.

"Diese Angelegenheit kann der Bundesminister nicht entscheiden", sagt er offen. Zwar hat die Bundesregierung Ende vorigen Jahres eine Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt verabschiedet. Danach sollen bis 2020 10 Prozent der Staats- und Kommunalforste sich selbst überlassen werden. Bisher sind es gerade mal 0,35 Prozent. Der Bund kann die Länder aber nicht zur Wildnis zwingen.

Gabriel streift er mit einem Tross von Umweltschützern, Förstern und Bürgermeistern durch den Wald. Forstexperte Sperber führt sie an 300 Jahre alten Buchen vorbei, an toten Stämmen, die überwuchert sind von Moos und Pilzen, durchlöchert von Käfern, von denen es hier allein 1.400 Arten gibt. Irgendwann nimmt Gabriel noch einen Feuersalamander auf die Hand. "Sie haben einen unglaublichen Schatz und wir haben Interesse, ihn zu schützen", sagt er.

Gabriel steckt im Dilemma. "Wenn sich in Deutschland nichts bewegt, dann können wir uns international nicht mehr blicken lassen." Warum sollte Brasilien dann seinen Regenwald schützen? Der Umweltminister versucht zu moderieren: "Geht aufeinander zu,und malt nicht in der Nacht Galgenmännchen an die Bäume." Doch in diesem Urwald ist er machtlos.

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