Union und FDP vor der Wahl: Geheimpläne für neue AKWs

Während Angela Merkel noch von einer "Brückentechnologie" spricht, macht ein Papier im Auftrag von Forschungsministerin Schavan Planspiele zum AKW-Neubau.

Mehr AKWs, mehr Atommüll, mehr Protest? Mit ihren Plänen macht die Union so manches neue Fass auf. Bild: ap

Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Am Sonntagabend hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Fernsehduell noch von der "Brückentechnologie" Atomkraft gesprochen. Nun platzt ein brisantes Energiekonzept aus dem Ressort ihrer CDU-Kollegin Annette Schavan in die politische Debatte.

Das 61-seitige Papier, das der taz vorliegt, haben 100 Wissenschaftler im Auftrag des Bundesforschungsministeriums verfasst. Darin heißt es, dass sich Deutschland "in der Zukunft wieder an der Entwicklung und dem Bau von neuen Kernkraftwerken beteiligen" könnte, "um einen erheblichen Teil des Energiebedarfs mit Kernenergie zu decken". Allerdings sei zu erwarten, dass ein solcher "Wiedereinstieg nicht ohne größere gesellschaftliche Konflikte vonstatten gehen würde". Deswegen sei "historische und soziologische Forschung" nötig, um "daraus Schlüsse für die zu erwartenden gesellschaftlichen Reaktionen ziehen zu können". Man müsse Ansätze finden, um "mit diesen Widerständen konstruktiv umzugehen".

Zugleich regen die Autoren die Suche von Alternativen zum Atomendlager Gorleben an: Eine Möglichkeit sei die Einlagerung in Tonstein, wie es ihn vor allem in Baden-Württemberg gibt. Für die Nutzung solcher Formationen lägen "umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse aus Frankreich, Belgien und der Schweiz vor", heißt es.

Wie brisant das Thema kurz vor der Bundestagswahl ist, hat die CDU freilich erkannt: Obwohl die Studie mit dem Titel "Konzept für ein integriertes Energieforschungsprogramm für Deutschland" bereits am 24. Juni ans Ministerium übergeben wurde, ist sie bisher nicht offiziell zugängig. Sie sollte erst nach der Bundestagswahl präsentiert werden, weil sonst die Gefahr bestünde, dass sie "im Wahlkampf untergeht oder zerredet wird", schrieb kürzlich Ortwin Renn, Präsidiumsmitglieds der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, an die Autoren.

CDU und FDP passt die Studie überhaupt nicht ins Wahlkampfkonzept, weil in repräsentativen Umfragen eine Mehrheit der Bundesbürger eine Verlängerung der Laufzeiten der bestehenden Meiler über 2021 hinaus ablehnt, von Neubauten ganz zu schweigen. Im jüngsten Politbarometer hatten 57 Prozent der Befragten für eine Fortsetzung des Ausstiegs votiert, nur 36 Prozent für längere Laufzeiten.

Nachdem das Papier nun den Weg an die Öffentlichkeit fand, versucht das Forschungsministerium der Sache die Brisanz zu nehmen: Es sei "gar keine Atomstudie", sondern ein "Konzept, das sich mit verschiedenen Varianten der künftigen Energieforschung beschäftigt". Von Bundeskanzlerin Merkel war überhaupt nichts dazu zu hören. Auf Anfrage hieß es im Kanzleramt lediglich, man wolle "das Thema beim Ressort belassen".

Umso deutlicher melden sich Atomkraftgegner zu Wort. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die Kanzlerin müsse Klarheit schaffen. Denn offenkundig spiele "die Atomkraft in den Planungen der Union insgeheim eine größere Rolle als bisher immer behauptet". Und die Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn forderte von Schavan die sofortige Veröffentlichung der Studie: "Wenn im Forschungsministerium über den Bau neuer Atomkraftwerke nachgedacht wird, haben die Wähler ein Recht, das vor der Wahl zu erfahren." Das Konzept zeige, was "viele in Union und FDP wirklich wollen".

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