Festlegung bei Akw-Laufzeiten: Merkel plädiert für 10 bis 15 Jahre

Die Kanzlerin wertet Gutachten als Plädoyer für bis zu 15 Jahre längere Laufzeiten. Doch Röttgen plant neue Auflagen, die das Aus für ältere AKWs bedeuten könnten.

Auch der Reaktor in Biblis ist nicht gegen Flugzeugabstürze geschützt. Bild: dpa

BERLIN taz / dpa | Am Freitagnachmittag war die Ansage noch klar: Über das Wochenende sollten die lange erwarteten Energiegutachten im Wirtschafts- und im Umweltministerium ausgewertet werden, zu Wochenbeginn sollten die Minister Rainer Brüderle (FDP) und Norbert Röttgen (CDU) dann gemeinsam ihre Schlussfolgerungen daraus vorstellen.

Aber so lange mochte Brüderle dann doch nicht warten. Nachdem durchsickerte, dass die Gutachter Laufzeitverlängerungen keinen großen Einfluss auf Strompreise und Versorgungssicherheit bescheinigten, verbreitete er schon am Samstagvormittag via Wirtschaftswoche seine Interpretation der frisch eingetroffenen Analyse: Zwischen 12 und 20 Jahren müsse die Laufzeitverlängerung betragen, denn diese beiden Szenarien hätten in den Berechnungen einen höheren volkswirtschaftlichen Nutzen ergeben als eine Verlängerung um 4 bzw. 28 Jahre.

Widerspruch kam vom Obmann der Unions-Fraktion im Umweltausschuss, Josef Göppel (CSU). "Diese Szenarien bringen keine weltbewegenden neuen Erkenntnisse", sagte er der dpa. "Der von manchen erwartete klimapolitische und ökonomische Vorteil lässt sich daraus nicht ableiten, wenn man die breit gestreute Wertschöpfung von erneuerbaren Energien im ganzen Land berücksichtigt."

Die Grünen und die Linkspartei kritisierten erneut die Vorgaben der Szenarien. So seien im Fall von Laufzeitverlängerungen stärkere Anstrengungen im Klimaschutz angenommen worden als im Referenzszenario ohne längere AKW-Laufzeiten.

Umweltminister Röttgen, der bisher für eine Laufzeitverlängerung von maximal acht Jahren plädiert, soll über dieses Vorpreschen des Wirtschaftsministers nicht amüsiert sein. Allerdings könnte zumindest ein Teil der älteren deutschen Atomkraftwerke auch unabhängig vom Beschluss über zusätzliche Laufzeitjahre demnächst vom Netz gehen.

Am Sonntagabend sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der ARD, sie spreche sich nach Vorlage eines neuen Gutachtens für 10 bis 15 Jahre längere Atomlaufzeiten aus. "Fachlich sind 10 bis 15 Jahre vernünftig", so Merke nach Vorlage des neuen Gutachtens zu den Energieszenarien.

Der erste Überblick über die Szenarien zeige: "Sowohl was die Versorgungssicherheit, den Strompreis als auch das Erreichen der Klimaziele anbelangt, ist die Kernenergie als Brückentechnologie wünschenswert." Sie fügte hinzu: "Wir werden das Zeitalter der erneuerbaren Energien erreichen." Aber aus energiefachlicher Sicht sei eine Verlängerung der Kernkraftwerkslaufzeiten im zweistelligen Bereich wünschenswert. Dafür wolle sie bei den Menschen werben.

Wie der Spiegel berichtet, will der Umweltminister die Sicherheitsauflagen drastisch erhöhen: Künftig sollen alle Reaktoren dem Absturz eines Passagierflugzeugs vom Typ A320 standhalten müssen.

Auch Merkel betonte, dass sie bei einer Laufzeitverlängerung als Regierungschefin dann auch schauen müsse: "Wie kriegen wir die Sicherheit als ganz oberstes Prinzip der Kernenergie da mit rein?" Zudem könne eine Neuregelung den Bundesrat nur passieren, wenn sie zustimmungsfrei sei. Sie werde darauf achten, "dass das rechtlich belastbar ist".

Für die AKWs Brunsbüttel, Isar 1, Philippsburg 1 und Krümmel sowie Biblis A und B, die bisher praktisch nicht gegen Flugzeuge geschützt sind, würde das so umfangreiche Nachrüstungen bedeuten, dass ein Betrieb in vielen Fällen wohl nicht mehr wirtschaftlich wäre.

Aus dem Umweltministerium gibt es dafür keine offizielle Bestätigung für die Pläne - aber auch kein hartes Dementi. "Bevor Entscheidungen getroffen werden, müssen noch umfangreiche Gespräche geführt werden", sagte Röttgens Sprecherin Christiane Schwarte der taz.

Der fehlende Schutz gegen den Absturz von Passagiermaschinen, die auch von Terroristen absichtlich herbeigeführt werden können, wird von Atomkritikern schon lange bemängelt; Greenpeace klagt gegen den fehlenden Schutz derzeit vor Gericht.

Atomexperte Heinz Smital begrüßte zwar, dass es bei dem Thema nun offenbar Bewegung gibt, allerdings sei nicht nachvollziehbar, wieso mit dem A320 nur ein relativ kleines Flugzeug zum Maßstab erhoben werde, sagte er der taz.

Der neue A380 sei achtmal so schwer wie der A320 und habe zehnmal mehr Kerosin an Bord. "Auch gegen Abstürze dieser Maschinen müssen AKWs gesichert werden."

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