Borneos Palmöl für Europas Biosprit: Klimaschutz statt Orang-Utans

Für Europas Biospritbedarf fällt anderswo der Regenwald. Das ist unterm Strich eher schädlich für die Umwelt. Und für die Affen, die auf Borneo "Waldmenschen" heißen.

Manmal hängt ein Waldmensch im Weg: Orang-Utan auf Borneo. Bild: nick reimer

PONTIANAK/KUMAI taz Ölpalmen rechts, Ölpalmen links - seit Stunden fährt der Bus nun schon durch eine eintönige Plantagenlandschaft. "Das ist natürlich eine riesige Chance für uns", sagt Teluk Bogam, ein 20-jähriger Student aus Pontianak im Westen Borneos. Früher gab es hier keine Straße. "Seit die aber bis hinüber nach Malaysia führt, haben wir hier dank der Palmölnachfrage einen richtigen Wirtschaftsboom", sagt Bogam.

Mit der Straße kamen Arbeitsplätze und mit den Arbeitsplätzen hielt ein bescheidener Wohlstand in die zu Indonesien gehörende Provinz Kalimantan Einzug.

Eine halbe Million Hektar Ölpalmenplantagen gibt es schon in Kalimantan, fünfmal so viel sollen es nach dem Willen des Gouverneurs werden. Hauptabnehmer waren bis in die 90er-Jahre die Lebensmittel- und Kosmetikindustrien. Seit aber Europa und Amerika Biotreibstoffe als Alternative zum Erdöl entdeckt haben, läuft das Geschäft auf Hochtouren. In den letzten zehn Jahren hat sich der weltweite Palmölverbrauch auf über 30 Millionen Tonnen im Jahr mehr als verdoppelt.

100 Früchte sind das Soll

Nur langsam kommt der Bus auf der Piste vorwärts, immer wieder muss er Laster überholen, die die kindskopfgroßen Fruchtstände der Ölpalme transportieren. "Die Arbeiter tragen die Früchte an die Straße, 100 Stück sind Soll am Tag", erzählt Teluk Bogam. Wer mehr schafft, bekommt Extrageld - und momentan kann es gar nicht genug "mehr" sein. Die Nachfrage ist zuletzt geradezu explodiert, vor allem China versucht sich neue Ressourcenquellen zu erschließen. Auch Europa ist wie ein gieriger Ölschlund: Die EU-Kommission hat beschlossen, bis 2020 den Anteil von Agrodiesel im Dieseltreibstoff auf 10 Prozent zu erhöhen.

Deutschland importiert derzeit pro Jahr fast 1 Million Tonnen Palmöl. Bei einem Jahresertrag von 5 Tonnen pro Hektar entspricht das einer Anbaufläche von 200.000 Hektar. Palmöl ist sehr vielfältig einsetzbar. Chemisch ähnelt es tierischen Fetten, denn es besteht überwiegend aus gesättigten Fettsäuren. Damit ist es für die Ernährung weniger wertvoll als zum Beispiel Sonnenblumenöl. Allerdings deckt ein Teelöffel den Tagesbedarf an Vitamin A. Wenn es durch chemische Aufbereitung entfärbt und gereinigt ist, findet es Verwendung in Seifen, Kosmetika, Margarine, Schokolade, Fertiggerichten und - Ölheizungen.

In dem Maße, wie Erdöl und andere fossile Energieträger teurer werden, steigt weltweit die Nachfrage nach pflanzlichen Ölen. Mit 700 Euro pro Tonne kostet Palmöl derzeit weniger als Erdöl. Im Jahr 2006 wurden in Deutschland 350.000 Tonnen Palmöl verheizt, etwa ein Drittel der Importmenge. Das Verbrennen von Pflanzenöl wird sogar nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz subventioniert: im Jahr 2007 mit 200 Millionen Euro.

Alexander Hissting von Greenpeace meint: "Die Handlungsmöglichkeiten der VerbraucherInnen für einen Palmölboykott sind derzeit gering. Das Öl ist billig, es wird überall verwendet und ist nicht zertifiziert. Es bleiben nur die Eindämmung von Missbrauch und die Durchsetzung einer umfassenden Nachhaltigkeitszertifizierung". TAZ

Europa hat aber nicht genug Ackerflächen, um ausreichend Raps anzubauen. Deshalb wird überall in Indonesien Regenwald gerodet, um stattdessen die ursprünglich aus Afrika stammende Ölpalmen zu pflanzen.

Teluk Bogam, der in Westkalimantans Hauptstadt Pontianak lebt, war gerade eine Woche in Malaysia. "Urlaub machen", wie er sagt. "Meine Eltern konnten sich so was früher nie leisten", so der Student. 10 Euro kostete die Busfahrt in die Glitzerwelt Malaysias, und Bogam ist begeistert vom Reichtum des Nachbarlandes. "So zu leben - ein Traum!" Den er aber nicht nur träumen will: Auf Öltechnik will sich der 20-Jährige spezialisieren, "denn das wird hier absehbar ein Boomsektor bleiben".

Das fürchtet auch der World Wide Fund for Nature (WWF). "Die Europäer wollen umweltfreundlicher werden, aber viele machen sich nicht klar, dass damit die Natur in Indonesien zerstört wird", sagt der indonesische WWF-Experte Iwan Wibisono. Für Palmölplantagen werde überall im Inselstaat Regenwald abgeholzt, der Regenwald sei vom Aussterben bedroht. Sein Kollege Purwo Susanto ergänzt: "Auf Sumatra ist der meiste Wald schon abgeholzt, und alle Flächen sind mit Plantagen zugepflastert. Jetzt richtet sich das Augenmerk auf Kalimantan."

Hier stand mal Urwald. Jetzt wachsen hier Ölpalmen. Bild: nick reimer

Nur einzelne Waldinseln

Indonesiens Pläne sind tatsächlich gigantisch: 5,4 Millionen Hektar waren 2004 im Inselreich mit Ölpalmen bepflanzt. Laut Regierungsbeschluss sollen in diesem Jahr 8,4 Millionen Hektar erreicht werden - der größte Teil des Zuwachses soll in Kalimantan erreicht werden. Auf Satellitenaufnahmen sieht die Landschaft schon jetzt aus wie ein Flickenteppich - kleine Waldstücke stehen wie einsame Inseln in teils riesigen Öden. Für mindestens 20 Millionen Hektar Ölpalmenplantagen soll es in Indonesien schon Verträge geben - eine Fläche, die fünfmal so groß ist wie die Schweiz.

Der UN-Klimarat IPCC hat ermittelt, dass 20 Prozent des Kohlendioxids weltweit durch die Entwaldung verursacht werden. Damit ist das Abbrennen oder Roden der Wälder die zweitgrößte Emissionsquelle auf der Welt - nach der Energiewirtschaft. Zwar hat sich auf Antrag der Regenwaldländer Brasilien, Indonesien und Papua-Neuguinea die Klimakonferenz der UNO auf Bali auch mit der Entwaldung befasst - ohne allerdings irgendwelche nennenswerten Beschlüsse zu fassen.

Palmöl ist teurer als Diesel

In das Herz Borneos, nach Zentralkalimantan, gelangt man aus Pontianak nur mit dem Flugzeug. Flüsse, traditionell die Verkehrswege auf Borneo, fließen nicht von West nach Ost, sondern von Nord nach Süd, und Straßen gibt es noch nicht. Trotzdem gleicht Borneo aus der Luft einem Schachbrett: Tausende Palmölplantagen reihen sich aneinander, und mit den Plantagen kommen auch die Straßen.

Kumai ist eine kleine Hafenstadt in Südkalimantan. An der Tankstelle stehen Dutzende Autos in der Warteschlange - verlassen. Diesel gibt es erst in der nächsten Woche, und es ist wichtig, einen guten Ausgangsplatz in der Schlange zu haben. Denn niemand weiß, wie viel Diesel geliefert wird. Auf der Reede vor Kumai liegen etliche voll beladene Palmöltanker. Könnten die Autofahrer von Kalimantan sich nicht selbst helfen, zum Beispiel mit Palmöl? "Nein", sagt Danny, der als Fremdenführer in Kumai arbeitet, "das Palmöl ist dreimal teurer als unser Diesel."

Das allerdings könnten sich nur die reichen Europäer leisten. Für Danny sind reiche Europäer ein Segen: Er verdient sein Geld mit Ausflügen ins nahe gelegene Orang-Utan-Reservat Camp Leakey. Der Palmölboom hat die "Waldmenschen", wie die Orang-Utans in der Sprache der Ureinwohner Borneos heißen, nahezu ausgerottet. Danny verdient an den Touren ins Reservat so gut, dass er sich auch ab und zu Diesel auf dem Schwarzmarkt kaufen kann.

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