EU-Kommission nach Fukushima: Neue Grenzwerte für Japan-Importe

Die EU-Kommission plant schärfere Grenzwerte für die radioaktive Belastung von Lebensmitteln aus Japan. Der Vorschlag der Behörde bezieht sich jedoch nur auf den aktuellen Fall.

Führen schärfere Grenzwerte im Ernstfall zu großen Verlusten für die Lebensmittelwirtschaft? Bild: dpa

BERLIN taz | Nach massiver Kritik will die EU-Kommission strengere Grenzwerte für die radioaktive Belastung von Lebensmitteln aus Japan durchsetzen. "Wir werden die Werte auf die in Japan angewandten bringen", sagte ein Sprecher der Behörde am Mittwoch der taz. Statt bisher 1.250 Becquerel (Bq) für die Strahlung etwa aus dem Stoff Cäsium in den wichtigsten Nahrungsmitteln sollten nur noch 500 Bq erlaubt sein. Wenn die EU-Staaten wie allgemein erwartet bei einer Sitzung am Freitag zustimmen, könnten niedrigere Limits ab kommender Woche gelten.

Die Ankündigung der Kommission folgt der Kritik von Verbraucher- und Umweltschützern, nachdem die Behörde am 25. März infolge des Reaktorunfalls in Fukushima per Eilverordnung neue Grenzwerte in Kraft gesetzt hatte. Sie lagen nicht nur über denen in Japan, sondern waren teils auch bis zu 20-mal höher als die bis dahin geltenden Limits der EU für Importe. Kritische Wissenschaftler warnen, dass jede zusätzliche Strahlenbelastung das Risiko etwa für Krebs vergrößere.

Wegen des Protestes setzte sich das deutsche Verbraucherministerium nach eigenen Angaben gemeinsam mit dem Umweltressort in einem Schreiben an die Kommission "für eine Harmonisierung der Grenzwerte" in den verschiedenen EU-Vorschriften ein. Der Kommissionssprecher begründete das Einlenken seiner Behörde denn auch mit "der Debatte in der EU".

"500 Becquerel für Importe aus Japan wären auf jeden Fall besser als der aktuelle Wert", urteilte Rebecca Harms, Fraktionschefin der Grünen im Europa-Parlament. Trotzdem ist die Atomexpertin nicht zufrieden. Denn auch 500 Bq seien ein unnötiges Risiko. "Wir fordern ein zeitlich begrenztes Importverbot für Lebensmittel aus Japan", sagte Harms.

Außerdem habe sich die Kommission nicht darauf festgelegt, auch die EU-Verordnung Nummer 3954/87 zu ändern: Sie legt Grenzwerte für die Zeit nach Nuklearunfällen allgemein fest, während sich der jetzt erwartete Vorschlag der Behörde nur auf den aktuellen Fall Japan bezieht. Harms: "Wenn wir später in einem europäischen Land einen Unfall haben werden, dann gelten wieder die alten hohen Werte. Deshalb muss die Verordnung korrigiert werden." Der Kommissionssprecher antwortete darauf nur, dass diese Forderung "diskutiert" werde. Kritiker argwöhnen, die Behörde sei so zögerlich, weil schärfere Grenzwerte im Ernstfall zu großen Verlusten für die Lebensmittelwirtschaft führen.

Die Limits seien wissenschaftlich fundiert, kontert die Kommission. Dem widerspreche nicht, dass Japan sich für strengere Limits entschieden hat. "Die Japaner könnten derzeit ja viel mehr verseuchte Nahrung zu sich nehmen als die Europäer." Tatsächlich bezieht zum Beispiel Deutschland nur rund 0,1 Prozent seiner Lebensmittelimporte aus dem Unglücksland. Nach dem Erdbeben gingen die Einfuhren laut Bundesregierung sogar zurück.

"Das sind ja nur Durchschnittswerte", wendet jedoch Edmund Lengfelder, Leiter des Otto-Hug-Strahleninstituts in München, ein. "Manche Leute sagen vielleicht: Ich will meinen ganzen Jod-Bedarf durch Seefisch aus Japan decken, weil da so viel davon drin ist." Deshalb müssten die Grenzwerte noch niedriger sein, zum Beispiel 100 Bq aus Cäsium in normaler Nahrung. Doch davon bleibt die EU weit entfernt.

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