Satirische Werbung für Castor-Blockade: Schotter-Profis in der dritten Generation

Die Kampagne zum Castor-Protest wird immer kreativer. Jetzt bietet ein vermeintliches Unternehmen im Netz den professionellen Schienenrückbau an.

Kreatives Unternehmertum: Webseite von Schotter & Söhne. Bild: Screenshot

BERLIN taz | "Maßgeschneiderte Lösungen rund um die Schiene" - das soll die Spezialität einer Firma im niedersächsischen Wendland sein, die seit kurzem im Netz anschaulich für ihre Kompetenzen wirbt: Die „Schotter & Söhne GmbH“, eine Fachwerkstatt für „Abbruch, Rückbau und Recycling" will bei den Protesten gegen den Castor-Transport nach Gorleben Anfang November tatkräftig mitmischen.

Die vermeintliche „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“, so heißt es hier, "hat sich in 100 Jahren einen Namen als Fachunternehmen für innovative und anwendungsorientierte Lösungen im Bahnrückbau aufgebaut." Und weiter: "Unsere Firma, die heute in der dritten Generation tätig ist, hält an Tradition und Fortschritt gleichermaßen fest und hat sich als zuverlässiger und leistungsstarker Partner bewährt", wird auf der Homepage satirisch für ein Projekt geworben, das von Staatsschützern, Innenministerium und Polizei derzeit sorgsam beobachtet wird: Die für Anfang November geplante Kampagne "Castor? Schottern!"

Mit der Aktion wollen hunderte oder tausende von Atomkraftgegnern den für das erste Novemberwochenende erwarteten Castor-Zug ins niedersäschische Gorleben stoppen, indem sie kollektiv die Schottersteine aus den Gleisbetten entfernen. Auf der Homepage bietet das satirische Unterfangen unter anderem eine Stellenausschreibung an. Gesucht wird demnach "zur kurzfristigen Einstellung bis spätestens 5. November für ein Rückbauprojekt zwischen Lüneburg und Dannenberg" ein oder eine "Zweiwegebaggerfahrer/in für den Gleisrückbau".

Der verantwortliche Webaktivist und Firmenleiter Karl Schotter (echter Name ist der Redaktion bekannt) sagte der taz am Donnerstag: "Auch wenn 40.000 Meter Gleisabschnitt eine stolze Länge sind, werden wir uns bemühen, unter Einsatz all unserer Kompetenzen und in Tages- und Nachtschichten den Rückbau am Einsatzwochenende möglichst umfassend voranzubringen." Die Firma Schottern & Söhne verfüge dazu auch über hinreichend große Maschinen.

Auf seiner Homepage heißt es: "Das Abtragen des Schotters erfolgt teilweise maschinell durch uns, teilweise durch Handarbeit von freiwilligen Kräften. Eine genaue Koordination ist vereinbart." Damit weist der satirische Seitengestalter, dessen Seite ohne Impressum auf wordpress.com gehostet ist, auch dezent darauf hin, dass mit den Schotter-Plänen, die am 7. November im niedersächsischen Wendland umgesetzt werden sollen, nicht nur das Entfernen von Steinen aus dem Gleisbett gemeint sein muss.

In der linksautonomen Szene bereiten sich nach Informationen der taz derzeit auch AktivistInnen auf die konkrete Sabotage der Gleisanlagen vor. So soll in Teilen der Szene bereits spezifisches Werkzeug vorbereitet werden, das zum Zerschneiden der Gleise geeignet ist. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hatte vor einer Woche Ermittlungsverfahren gegen hunderte von AktivistInnen angekündigt, die sich im Netz unter der Seite Castor-schottern.org namentlich dazu bekannt hatten, am Wochenende des Castor-Transportes kollektiv das Gleisbett unbefahrbar zu machen.

Ermittelt wird dabei auch gegen rund 20 Bundestags- und Landtagsabgeordnete, die sich diesem Bekenntnis angeschlossen hatten. Die Staatsanwälte sehen in dem Bekenntnis einen Aufruf zur Straftat. Ironischerweise hat aber die Aufnahme der Ermittlungen offenbar eine größere Mobilisierungswirkung ausgelöst als zuvor die Kampagne selbst. Seit dem Bekanntwerden der staatsanwaltlichen Ermittlungen vor einer Woche hat sich die Liste der Unterstützer bereits verdoppelt. Inzwischen bekennen sich bereits knapp 1.200 Unterzeichner namentlich zu der Protestform, darunter zahlreiche Gewerkschafter, Politiker und Kulturschaffende. Sie alle wollen Teil eines großen Unternehmens sein. Mit Karl Schotter und seinen Söhnen.

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