Zu viele Kohlekraftwerke: Studie widerspricht Gabriel

Pech für Umweltminister Sigmar Gabriel. Eine von ihm in Auftrag gegebene Studie gibt seinen Kritikern recht und setzt ihn unter Handlungsdruck.

Die vorgesehene CO2-Reduzierung kann nicht eingehalten werden, wenn die jetzt geplanten Kohlekraftwerke alle gebaut werden. Bild: ap

BERLIN taz Diese Studie hat Gewicht. Schließlich soll sie eine "belastbare und aktuelle wissenschaftliche Grundlage" sein, mit der Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) "die Energie- und Klimapolitik der kommenden Jahre" gestalten will. Doch statt diese offensiv an die Öffentlichkeit zu bringen, stellte das Ministerium die Studie am Donnerstag ohne große Ankündigung auf seine Internetseite. Der Grund: Sie liefert den Gegnern von neuen Kohlekraftwerken gute Argumente.

Denn der Autor der Studie, Joachim Nitsch, Energieexperte beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrtforschung, macht folgende Rechnung auf: Bis 2020 müssen wegen des Alters der bestehenden Kraftwerke neue gebaut werden, die insgesamt 88,5 Gigawatt Strom erzeugen. 59 Gigawatt davon sollen aus erneuerbarer Energie erzeugt werden, die restlichen 29,8 aus fossilen Energieträgern. Von diesen dürfen nur noch 9,8 Gigawatt aus neuen Kohlekraftwerken kommen, der Rest aus Gaskraftwerken. Andernfalls wäre die laut Leitstudie mögliche Verminderung des Kohlendioxidausstoßes um 36 Prozent nicht zu schaffen. Und selbst dieser Wert läge um 4 Prozentpunkte unter den 40 Prozent, die die Regierung als Ziel ausgegeben hat.

Nitsch weist aber darauf hin, dass derzeit Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 23 Gigawatt geplant seien - also mehr als doppelt so viel wie laut Szenario möglich. Die 9,8 Gigawatt werden von den Kraftwerken abgedeckt, die jetzt neu im Bau oder bereits genehmigt sind. Im Klartext: Von jetzt an dürfen nur fossile Kraftwerke gebaut werden, die Gas verbrennen.

Das ist für Gabriel, der stets den Bau neuer Kohlekraftwerke unterstützt, um den Befürwortern der Atomenergie kein Argument zu liefern, ein Problem. Denn Gas, so der Minister erst wieder am Donnerstag auf einer Podiumsdiskussion, sei ein deutlich teurerer Brennstoff als Kohle, was den Strompreis nach oben treiben dürfte. Der Studie begegnete Gabriel mit dem Argument, dass Nitsch sowohl bei der Effizienzsteigerung als bei der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) geringere Steigerungsraten als die Bundesregierung unterstellt. So steigt in der Leitstudie der KWK-Anteil nur auf 20,5 Prozent statt auf 25 Prozent, und die Produktivität der Stromerzeugung nimmt statt um 2,1 Prozent pro Jahr nur um 1,8 Prozent zu. Nitschs Gegenargument: Zwischen 1990 und 2006 betrug die durchschnittliche Steigerungsrate nur 0,9 Prozent. Und der KWK-Ausbau verläuft ebenfalls schleppend. "Die Ziele der Bundesregierung sind nicht unmöglich. Aber ich bin besorgt, dass sie nicht zu schaffen sind, wenn die Politik nicht noch einmal an Tempo zulegt", sagte Nitsch der taz.

Gabriel ging am Donnerstag auf die Kritik ein und präsentierte seine Ideen für einen "Nationalen Effizienzplan", der aber bis auf die Ausgabe von Gutscheinen für Finanzschwache zum Kauf von sparsamen Kühlschränken so schnell nicht Wirklichkeit werden dürfte. Beim Bau von Kohlekraftwerken verlässt sich Gabriel aber bisher allein auf den Emissionshandel. Es sei ihm "piepegal, wie viele Kohlekraftwerke gebaut werden", solange die durch die Zertifikate vorgegebenen Emissionsgrenzen eingehalten werden, so Gabriel.

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