Neue Vattenfall-Versuchsanlage: Superkritisches Kohlendioxid

Bund und Länder streiten über ein Gesetz, das die Speicherung von Kohlenstoffdioxid ermöglichen soll. Für die Grünen verspricht das Thema heiß zu werden.

Ab ins Gestein: CO2-Verpressung in Ketzin. Bild: dpa

BERLIN taz | Während Industrie und Forschung in Sachen Abspaltung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) Neuigkeiten vermelden, ringt die Politik um das Gesetz, das bundesweit CCS-Modellprojekte ermöglichen soll.

Umweltverbände, die der Technologie ablehnend gegenüberstehen, schimpfen das Gesetz gern "Lex Vattenfall", denn der Energiekonzern betreibt seit 2008 im brandenburgischen Spremberg das bundesweit einzige CCS-Pilotprojekt. Gestern startete in dem Kraftwerk Schwarze Pumpe eine neue Anlage, in der neue Verbrennungstechniken erprobt werden. Seit Mittwoch wird das CO2 aus dem Kraftwerk zudem erstmalig in der Forschungsanlage im rund 200 Kilometer weiter nordwestlich gelegenen Ketzin gespeichert.

In der Versuchsanlage in Spremberg wird Braunkohle unter besonderen Bedingungen verbrannt: Im Ofen findet sich keine Luft, sondern reiner Sauerstoff und Rauchgas, das bei der Kohleverbrennung entsteht und dem Verbrennungsprozess wieder zugeführt wird. So wird die Kohlenstoffdioxid-Konzentration gesteigert. In mehreren Schritten werden dem entstehenden Gas unter anderem Wasserdampf und Schwefelverbindungen entzogen. Das nun sehr reine Kohlenstoffdioxid (CO2) wird stark gekühlt und hohem Druck ausgesetzt, so dass es sich verflüssigt und in Tankwagen transportiert werden kann.

Dieser Prozess war bislang besonders energieaufwendig, mit der neuen Anlage jedoch will Vattenfall bis zu 50 Prozent Energie sparen. Diese Technik will der Energiekonzern zusammen mit dem US-Gas-Spezialisten Air Products entwickeln und dann weltweit verkaufen.

Neue Wege bei der Speicherung

Nicht nur bei der Abspaltung, sondern auch bei der Speicherung von CO2 versucht man neue Wege. Bisher hatten die Wissenschaftler vom Geoforschungszentrum (GFZ) Potsdam in Ketzin lebensmittelreines CO2 in ein ehemaliges Erdgasfeld gepresst, das sonst zum Beispiel im Sprudelwasser landet. Es besitzt eine Reinheit von 99,9 Prozent. Das vom Kraftwerk gelieferte Gas besitzt nur eine Reinheit von 99,7 Prozent, es enthält Spuren von Schwefel- und Stickstoffverbindungen.

"Wir beobachten nun, wie das Gestein mit diesem Stoffgemisch reagiert", sagt Franz Ossing, Sprecher des GFZ. Selbst die 0,2 Prozentpunkte könnten die Geochemie entscheidend ändern, "und wir sind sehr vorsichtig". Einen Monat läuft der Test, so lange werden täglich drei Laster nach Ketzin fahren und dort insgesamt rund 2.000 Tonnen CO2 abliefern. Danach wird in das Forschungslager wieder CO2 aus der Lebensmittelproduktion geleitet. Rund 60.000 Tonnen sollen schließlich dort gespeichert werden. Im Berg verbleibt das Kohlendioxid in einem "superkritischen" Zustand: Es sieht aus wie Wasser (und hat auch dessen Dichte), hat aber noch die Beweglichkeit eines Gases.

Superkritischer Gesetzentwurf

"Superkritisch", allerdings nicht im chemischen Sinne, ist auch die Lage des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung. Im April hatte das Bundeskabinett den Entwurf beschlossen, der CO2-Lagerstätten für Modellprojekte bundesweit ermöglichen soll. Nächste Woche werden die Länder ihre Änderungswünsche an das CCS-Gesetz formulieren, es wird dann in den zuständigen Bundesrats-Ausschüsse diskutiert. Ob und wie es dies übersteht, ist fraglich.

Die von schwarz-gelben Koalitionen regierten Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die über geeignete Lagerstätten verfügen, wollen die Technik zwar grundsätzlich ermöglichen, zugleich aber mit einer Ausstiegsklausel dafür sorgen, sie im eigenen Hoheitsgebiet untersagen zu können. Von der Bundesregierung ist diese Regelung schließlich übernommen worden. Das von einer Koalition aus SPD und Linken regierte Brandenburg will die Technik ebenfalls, aber keineswegs alleine. Die Landesregierung will einerseits dem wichtigen Arbeitgeber Vattenfall die schon angelaufenen Forschungsvorhaben weiter ermöglichen. Andererseits steht sie unter starkem Druck engagierter Bürgerinitiativen, die die Lagerung von CO2 unter der Erde für gefährlich halten oder aus energiepolitischen Gründen ablehnen.

Bei den Grünen wird es wohl Streit um CCS geben

Interessant ist wegen der neuen Mehrheitsverhältnisse die Position der Grünen. Zwar muss der designierte grüne Umweltminister Baden-Württembergs, Franz Untersteller, seine Position zu CCS noch finden.

Doch aus der Bundestagsfraktion heißt es: Innerhalb der Grünen sei die Frage noch umstritten und einige Landesverbände seien grundsätzlich gegen CCS. In der Bundestagsfraktion hingegen betrachte man die die Technologie durchaus als sinnvolle Option: Für Industriebetriebe, wie Zement- oder Stahlwerke. Genehmige man die CCS-Technik für Kohlekraftwerke, zementierte man aber nur die Marktmacht der Stromkonzerne und verzögere den Ausstieg aus der schmutzigen Kohlekraft. Die Stahlindustrie aber profitiert von den bei Vattenfall gesammelten Erkenntnissen kaum. "Unsere Produktionsverfahren unterscheiden sich zu stark", sagt Erwin Schneider von Thyssen-Krupp, "die Stahlindustrie verfolgt eigene Forschungsvorhaben."Die grüne Bundestagsfraktion könnte sich daher ein Gesetz vorstellen, dass in einem engen Rahmen Forschung in der produzierenden Industrie ermöglicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.