+++ Ticker Antiatom-Großdemo (fertig) +++: "Atomkraft ist einfach blöd"

Rund 100.000 Menschen kamen nach Angaben der Veranstalter am Samstag nach Berlin, um gegen Atomkraft zu demonstrieren. Es war ein machtvoller, friedlicher Akt.

"Atomkraft: Schluss Jetzt": Tausende Atomkraftgegner demonstrieren in Berlin. Bild: dpa

18.00 Uhr ++ Das war´s ++

Es ist ein mächtiges Gefühl, das bleibt. Auf dem Vorplatz des Berliner Hauptbahnhofes fand ein großes Volksfest statt und auf den Treppen des deutschen Bundestages saßen bis zuletzt hunderte Menschen und skandierten "Abschalten!" und "Schwarz-Gelb weg!" Sie trommelten auf gelbe Fässer und wurden nicht müde.

Die Demo ist vorbei, die Abschlusskundgebungen auch. Bis 19.00 Uhr legt auf dem Bahnhofsvorplatz jetzt noch der Berliner DJ Sven Dohse auf. Auch die Berliner Feierszene unterstützt so unter dem Motto „Atomkraft wegblasen“ die Proteste.

Vertreter der Oppositionsparteien nahmen an der Demo teil. SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte am Rande des Aufmarschs, Angela Merkel sei eine Kanzlerin der Konzerne geworden. Sie müsse sich nicht wundern, dass ihre Deals mit den Atomkonzernen die Menschen auf die Straßen treibe. Der Protest in Berlin sei erst der Anfang. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, was Union und FDP gemacht hätten, „ist ein Anschlag auf die Demokratie“.

Regierungsvertreter nannten den Protest von SPD und Grünen unglaubwürdig. „Untergehakt mit der Linkspartei, versuchen Gabriel, Trittin und Co. Ihre massiven Versäumnisse vergessen zu machen“, sagte CDU-General Hermann Gröhe.

Die Veranstalter zeigten sich zufrieden. Fest steht: Es war eine der größten Anti-Atomdemos der vergangenen Jahre. Aus dem ganzen Bundesgebiet kamen Sonderzüge und über 150 Busse.

Mit so vielen Teilnehmern hätten sie nicht gerechnet. Gemeinsam erklärten die Vertreter von BUND, campact, Naturfreunde Deutschland und ausgestrahlt: "Der heutige unerwartet breite Protest zehntausender Menschen zeigt: Die Bevölkerung duldet keine Klientelpolitik für Atomkonzerne auf Kosten ihrer Sicherheit." Nach dieser Demonstration werde der schwarz-gelben Regierungskoalition klar geworden sein, "dass sie sich mit ihrem Atomdeal gehörig die Finger verbrannt hat". Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen.

Damit verabschiedet sich die das taz-Team von der Straße und aus der Redaktion. Mehr Berichte und Hintergründe zur bundesweiten Anti-Atom-Demo in Berlin lesen Sie am Montag in der taz.

17.47 Uhr ++ Reichstag ++

Die Veranstalter sprechen zu denen auf der Reichstagstreppe. Im Namen der Veranstalter mögen sie bitte weiterziehen, bittet Uwe Hiksch von den Naturfreunde Deutschlands die Treppenbesetzer. "Bilder von Festgenommenen kann heute keiner gebrauchen." sagt er. Viele jubeln, ein paar wollen bleiben, aber dann löst sich die Sitzblockade langsam auf. "wir sehen uns im November beim Castor wieder" ruft Hiksch ihnen zu. Dann ziehen viele davon.

"Wir sehen uns beim Castor": Mitveranstalter Uwe Hiksch bittet die Treppenbesetzer, weiterzuziehen. Bild: martin kaul

17.25 Uhr ++ Reichstag ++

Die Situation hat sich entspannt. Zwar sitzen noch immer viele Demonstranten auf den Stufen zum Reichstag, die Polizei hält sich aber zurück und schaut entspannt zu. Es sieht nicht mehr nach Räumung aus. Sie sollen wohl einfach ausgehungert werden.

17.05 ++ Bahnhofsvorplatz ++

"Das war ein überwältigendes Gefühl, heute Mittag hier in Berlin aus dem Bus zu steigen und all diese Menschen zu sehen", sagt Franz Tobiasch. Der 62-Jährige ist aus dem bayerischen Örtchen Westendorf gekommen. Er hat ein rote Weste von der Linkspartei an, eine Trillerpfeife hängt ihm um den Hals. "An 100.000 Menschen auf der Straße kann niemand mehr vorbeigehen", sagt er. "Auch Angela Merkel nicht." Er sei überzeugt, dass die nächste Bundesegierung nicht mehr aus Schwarz-Gelb bestehen wird, sagt er mit bayerischem Akzent. "Dafür hat sich das hier heute gelohnt."

17.00 Uhr ++ Reichstag ++

Jetzt wird es doch nochmal etwas unruhig. Einige hundert Demonstranten sitzen auf der Treppe des Reichtags, rufen abwechseln "Wir sind das Volk" und "Abschalten". Die Polizei will das wohl nicht länger hinnehmen, hat etliche Anti-Konflikt-Teams zusammengezogen und etliche Beamte aus Hundertschaften. Es sieht so aus, als würden sie die Räumen des Reichstagstreppen vorbereiten.

16.50 Uhr ++ Hauptbahnhof ++

Riesegedränge im Hauptbahnhof. Viele tausend Demonstranten wollen mit der S-Bahn zum Ostbahnhof, wo die Busse parken. Die Züge sind vollgestopft, an Fahrkartenkontrolle ist da zum Glück nicht zu denken.

16.40 Uhr ++ Reinhardtstraße FDP-Parteizentrale ++

Sitzprotest gegen Atomkraft im Berliner Regierungsviertel. Bild: martin kaul

Über 1000 Antiatom-Aufkleber hatten die Demonstranten am Mittag an die FDP-Parteizentrale geklebt. Von Wand und Tür und Fensterscheiben war kaum mehr etwas zu sehen. Jetzt stehen hier vier Polizisten, sie murren. Aufkleber für Aufkleber entfernen sie - per Hand. "Zu unseren originären Aufgaben gehört das eigentlich nicht", sagt einer. Aber es war "Anweisung von oben".

16.35 Uhr ++ Washingtonplatz ++

Bei der Abschlusskundgebung auf dem Washingtonplatz ist die Stimmung entspannt und friedlich. Viele stärken sich mit frischen Fritten und Bratwurst, sitzen entspannt auf dem Boden, reden über den Tageserfolg. Noch immer wehen hunderte bunte Fahnen im Wind. Die Kampfstimmung ist verflogen. Jetzt spielt Musik.

16.30 Uhr ++ Bahnhofsvorplatz ++

Die Abschlusskundgebung mit ein paar organisatorischen Problemen. Während auf der einen Seite der Bühne die Menschen dicht gedrängt stehen, ist direkt vor dem Bahnhof auf dem Washingtonplatz noch viel Freiraum. Die Reden bekommen jedenfalls nicht alle mit. Viele sind noch auf dem Rückweg vom Regierungsviertel, andere gehen bereits in den Bahnhof oder strömen zu ihren Bussen, um die Rückreise anzutreten.

BUND-Chef Hubert Weiger ruft bei seiner Rede zu weiterem Widerstand gegen das Atomprogramm auf. Neben der Bühnen türmen Demonstranten Blechdosen zu einem Atommüllberg auf.

16.22 Uhr ++ Hauptbahnhof ++

Ein Glanztag des Kapitalismus. Im Hauptbahnhof stürmen hungrige Demonstranten die Fressbuden. Vor jedem Bäcker stehen ellenlange Schlangen. Auch vor Burger King.

16.14 ++ Hauptbahnhof ++

Die Demo ist vorbei. Nun gibt es noch Reden vor den Hauptbahnhof, aber viele machen sich so langsam wieder auf den Heimweg, zu den Bussen und Zügen.

16.13 Uhr ++ Washingtonplatz ++

Am Brückengeländer vor dem Hauptbahnhof lehnt lässig ein Vater mit seinem Kind. "Clubfans gegen Atom" steht auf seinem schwarz-roten T-Shirt. Es ist der Protest gegen den Atom-Konzern "Areva", dem Trikotsponsor des 1. FC Nürnberg. Wenn der Verein morgen gegen Leverkusen spielt, ist die Atomkraft wieder dabei. Allerdings: Im Geschäft ist Areva weitaus erfolreicher als der Club in der Liga.

15.55 Uhr ++ Washingtonplatz ++

Robin Kempkens ist 15 Jahre alt und heute zum ersten Mal bei einer Demo. Mit seiner Familie ist er von Bonn nach Berlin gereist. "Bei Atomkraft gibt es nur einen Standpunkt", sagt er. Robin Kempkens darf noch nicht wählen. Aber er sagt: "Dieses Thema hat mich politisiert."

15.45 Uhr ++ Luisenstraße / Schiffbauerdamm ++

Atomkraft einfach wegtanzen, lautete hier das Motto. Hunderte junge Menschen tanzen zu den Technoklängen des Bachstelzen-Wagens.

15.40 Uhr ++ Reichstag ++

"Dem Deutschen Volke" - Die Demonstranten nehmen den Schriftzug am Reichstag heute wörtlich. Sie belagern die Treppen, stürmen auf die eigentlich gesperrte Wiese.

15.35 Uhr ++ Regierungsviertel ++

Für eine Viertelstunde haben sich alle hier hingesetzt. Die letzten fünf Minuten sollten die Demonstranten soviel Krach wie möglich machen. Ohrenbetäubender Lärm, der Atomalarm.

Jetzt geht es zurück Richtung Bahnhof. Dort geht es auf dem Washingtonplatz weiter.

15.30 Uhr ++ Konrad-Adenauer-Strasse ++

Sspreebrücke: Üben für den Ernstfall. Die Demonstranten üben Sitzblockaden für den Ernstfall. Alle setzen sich auf den Boden. aus dem Demo-Wagen sagt einer: "Genau so wird es aussehen, wenn im November die Castoren rollen." Jetzt schreien alle im Chor: "AB-SCHAL-TEN!"

15.30 Uhr ++ Veranstalter sprechen von 100.000 Teilnehmern ++

Nach Angaben der Veranstalter demonstrieren heute in Berlin 100.000 Menschen gegen Atomkraft, umzingeln das Regierungsviertel und fordern "Atomkraft: Schluss jetzt". Mit Sonderzügen und über 150 Bussen waren sie aus dem ganzen Bundesgebiet zu der Demonstration angereist.

15.25 Uhr ++ Schiffbauerdamm ++

Der Sitzprotest hat begonnen. Alle haben sich niedergelassen.

15.20 Uhr ++ Konrad-Adenauer-Straße ++

Die Demonstration geht jetzt in Volksfeststimmung über. Auf der Spree-Brücke an der Konrad-Adenauer-Straße trommelt eine Samba-Gruppe. Die Menschen tanzen, ein Mann pustet Seifenblasen. Die Stimmung ist ausgelassen und heiter.

15.20 Uhr ++ Schiffbauerdamm ++

Auf allen Brücken, an allen Ufern in Sichtweite Demonstranten. Trausende Tröten, Trillerpfeifen und Trommeln machen gewaltig Krach. Der Sitzprotest verzögert sich, weil immer noch Leute im Anmarsch sind.

15.10 Uhr ++ Bahnhofsvorplatz ++

Langsam ist das Ende des Demozugs in Sicht. Die letzten Teilnehmer verlassen jetzt den Bahnhofsvorplatz. Kaum einer nimmt mehr die offizielle Demoroute, die meisten steuern direkt aufs Regierungsviertel zu. Es sind gigantisch viele Menschen. Alle Seitenstraßen über die gesamten Route hinweg sind voller Menschen.

15.05 Uhr ++ Reinhardtstraße ++

Unter ihrer Stöckelfahne, die sie auf jede Demo mitnehmen, versammeln sich Leute aus der ehemaligen schwul-lesbischen Hausbesetzerszene. Sie warten auf den Technowagen der Bachstelzen.

15.05 Uhr ++ Bundeskanzleramt ++

Klaus Beck ist heute um 5 Uhr morgens aufgestanden und mit dem Bus aus Ostwestfalen angereist. Er hat einen weißen Schutzanzug an und eine gruselige Atemschutzmaske auf dem Kopf. Vor dem Kanzleramt schlägt er Alarm auf einer gelben Atommülltonne. Es ist ein Bild für die Tagesschau. Die ARD-Kollegen filmen ihn. "Stell dich mal da vorne hin", sagen sie.

15.00 Uhr ++ Reinhardtstraße ++

Ramon ist mit vielen Freunden aus der Nähe von Verden angereist. Er hat heute Geburtstag. "Ich wünsche mir von Frau Merkel, dass sie sich den Atombossen nicht vor die Füße wirft. Und dass die Atommeiler endlich abgeschaltet werden", sagt er taz.de.

14.55 Uhr ++ Platz der Republik ++

Es ist eine seltsame Ruhe: während rundherum in der Berliner Innenstadt die Trillerpfeifen und die Trommeln Lärm machen, ist es auf der Wiese vor dem deutschen Bundestag ganz ruhig. Das Grünflächenamt hatte verboten, dass hier demonstriert wird. Da, wo die Entscheider sonst abstimmen, ist es ruhig. Erst ein paar hundert Meter weiter stehen die Demonstranten geballt zusammen.

14.50 Uhr ++ Schiffbauerdamm ++

Etwas Chaotisch läuft die Umzingelung. Tausende Demonstranten strömen kreuz und quer durchs Regierungsviertel.

14.40 Uhr ++ Schiffbauerdamm ++

Anti-Atom-Proteste zu Land und zu Wasser: Zwischen den Touristenschiffen kurvt auch ein mit Fahnen und Transparenten geschmücktes Boot übers Wasser.

14.35 Uhr ++ Dorotheenstraße ++

Es geht weder vor noch zurück. Tausende stehen dicht gedrängt in der Dorotheenstraße, jubeln, feiern - direkt neben der Verwaltungsgebäuden des Deutschen Bundestags. Hier weiß keiner so genau, ob die Umzingelung eigentlich schon offiziell begonnen hat.

14.25 Uhr ++ Reinhardtstraße 14 ++

Arme Liberale. Der Demozug zieht direkt an ihrer Parteizentrale in der Reinhardtstraße 14 vorbei. Laute Buh-Rufe und Pfiffe. Die Demonstranten hinterlassen der FDP viele kleine Denkzettel in Form von bald 1000 Antiatom-Aufklebern. Sie haben das gelbe Schild der FDP wörtlich genommen. "Mitmach-Zentrale" steht darauf.

Reinhard Bütikhofer (Grüne) gegenüber taz.de: "Die FDP spielt hier die kleinste Rolle. Die ist eh immer gekauft."

Ein Demoteilnehmer mit einem gelben Atomtonnen-Outfit rüttelt an der Tür, will sich ins Thomas-Dehler-Haus schmeißen. Die Polizei hindert ihn sanft daran. Unterdessen ertönen über die Reinhardtstraße laute "Abschalten - Abschalten"-Rufe.

14.20 Uhr ++ Kreuzung Dorotheen- / Wilhelmstraße ++

Leichtes Chaos bei der Zugteilung. Eigentlich sollen nur Demonstranten mit roten und gelben Armbändern in die Wilhelmstraße abbiegen. Doch auch etliche andere wählen diese kürzere Route. Das Ende der Demo ist nicht in Sicht.

14.05 Uhr ++ Reinhardtstraße ++

Die Nachricht der Beschäftigten: "Die taz-Genossenschaftsversammlung grüßt alle TeilnehmerInnen der Anti-Atom-Demonstration" steht auf einem roten Transparent mit gelber Schrift in der Reinhardtstraße. Ein paar Dutzend Meter weiter diskutieren die taz-GenossInnen über die Zukunft der Zeitung.

14.00 Uhr ++ Kreuzung Dorotheen- / Wilhelmstraße ++

Die Demo erreicht die Stelle, an der sich der Zug teilen und die Umzingelung beginnen soll. Die Spitze zieht in die Dorotheenstraße Richtung Scheidemannstraße. Auf der Kreuzung spielen Sambagruppen.

13.51 Uhr ++ Reinhardtstraße ++

Linus Debrodt ist neun Jahre alt und heute zum ersten Mal auf einer Demo. Heute morgen hat er mit dem SV Pfefferberg beim Fußball noch 8:4 gewonnen. Jetzt demonstriert die halbe e-Jugend. Linus sagt: "Atomkraft ist einfach blöd, weil es Krankheiten austragen kann, wenn was explodiert."

13.45 Uhr ++ Friedrichstraße ++

Aktivistin Hanna Poddig kritisiert die Rolle der Parteien im Streit um Atomkraft. "Es bringt nichts, auf die Parteien zu setzen. Man hat ja gesehen, was dabei rauskommt. Der Atomkonsens hat nichts gebracht", sagt sie taz.de. Stattdessen solle man den Atomausstieg selbst machen. Nicht nur indem man auf Ökostrom umsteige, sondern indem man aktiv vor Ort protestiere. Vor allem die Castortransporte.

13.40 Uhr ++ Friedrichstadt-Palast ++

Die Spitze der Demo erreicht die Friedrichstraße. Viele Flugblätter und Transparente im Zug mobilisieren schon zu den Castorprotesten im November. Auch viele Demonstranten sagen, dass sie den Atommülltransport blockieren werden.

13.30 ++ Spree ++

Außergewöhnlicher Einsatz: die "Sturmmöwe" der Wasserschutzpolizei gibt Vollgas auf der Spree". Anlass: Aktivisten hängen mit einem Transparent an einer Spree-Brücke. Darauf steht: "Wir blockieren den Castor! du auch?"

13.25 ++ Kapelleufer ++

Angela Merkel ist auch mit auf der Demo. Sie hat ein Sektglas in der Hand. Jetzt stößt sie an: "Ein Prost auf den Geheimvertrag!" steht auf dem Transparent.

13.20 Uhr ++ Kapelleufer ++

Bisher war das Wetter den Atomkraftgegnern gewogen. Jetzt regnet´s Mit etwas Mühe gelingt es auch einer Gruppe von Tierrechtlern, ihr Anliegen in die Demo einzubringen: "Gegen die Spaltung von Tier und Atom" steht auf ihrem Transparent".

13.07 ++ Kapelleufer ++

Monika, 62, und Manfred Thurn, 67, sind aus Bernau gekommen. "Wir sind 1989er-erprobt", sagen sie. "Jetzt muss diese Regierung gekippt werden." Schwarz-Gelb sei eine Lobby-Regierung. "Die müssen weg. Aber dazu mssen wir mehr werden."

13.05 Uhr ++ Kapelleufer ++

Jetzt geht die eigentliche Demo los, der Menschenzug setzt sich in Richtung Reinhardstraße in Bewegung. Auf der Brücke formiert sich die Spitze des Demozuges. Ganz vorn Trecker aus dem Wendland und hunderte Radfahrer. Die Menge ist unübersehbar groß, genaue Zahlen noch unmöglich zu schätzen. Sirenen heulen.

12.50 Uhr ++ SPD und Grüne: Atompläne Anschlag auf Demokratie ++

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat der Regierung wegen ihrer Atompolitik das Schüren eines der größten gesellschaftlichen Konflikte der Bundesrepublik vorgeworfen. "Ich fürchte, dass es nicht nur friedliche Auseinandersetzungen geben wird", sagte Gabriel am Samstag am Rande der Großdemonstration in Berlin gegen den schwarz-gelben Atomkurs.

Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, was Union und FDP planten, sei ein Anschlag auf die Demokratie. Am Bundesrat vorbei wolle Schwarz-Gelb den "Atom-Deal" beschließen. Dagegen würden die Grünen und mehrere Bundesländer vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

Zudem handele die Regierung am Parlament vorbei in Hinterzimmern mit den Atomkonzernen die Bedingungen für längere Laufzeiten aus. "Das ist ein sittenwidriger Vertrag, sagte Roth. "Wir werden auf der Straße zeigen, dass diese Politik von Schwarz-Gelb keine Mehrheit hat." Man werde auf allen Ebenen gegen die Atompläne kämpfen.

"Diese Regierung ist ein Handlanger der Atomkonzerne, die immer mehr Profite machen." Wenn jemand in diesem Land verfassungsfeindlich sei, dann sei dies die schwarz-gelbe Bundesregierung, die keine transparente Politik mache, sagte die Grünen-Vorsitzende.

"Man darf nicht unterschätzen, welche Sprengkraft dieses Thema hat", betonte Gabriel auch mit Blick auf Gorleben, wo die Regierung nun bei der Wiederaufnahme der Erkundung für ein mögliches Atommüll-Endlager auch wieder auf Enteignungen setzen will. Der SPD-Chef bekräftigte, dass das geplante Laufzeit-Plus bei einem möglichen Regierungswechsel rückgängig gemacht werde.

Rot-Grün habe den Konflikt um die Atomkraft durch den Atomausstieg befriedet, sagte Gabriel. "Und wir haben 300 000 Jobs bei den erneuerbaren Energien hingekriegt, weil die Leuten wussten, wir steigen aus der Atomenergie aus." Ohne längere Laufzeiten sei in wenigen Jahren eine Verdopplung dieser Jobs möglich, Kanzlerin Angela Merkel bremse nun diese Entwicklung aus. (dpa)

12.45 Uhr ++ Washingtonplatz ++

Auf der Auftaktkundgebung vor allem Organisatorisches - und eine Abstimmung. "Laufzeitverlängerung" ist das Unwort des Jahres. Es setzt sich klar vor "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" und "Jahrhundertsommer" durch.

12.30 Uhr ++ Washingtonplatz ++

Die Kult-Politband der frühen 1980er Jahre, die Bots aus Holland, spielt "Aufstehn". Demonstranten aus allen Generationen sind auf dem Platz versammelt. Ein weißer Block - Leute in Schutzanzügen - formiert sich.

12.20 Uhr ++ Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstraße 8 ++

In der Heinrich-Böll-Stiftung ist wieder Ruhe eingekehrt. Vor der Demo heute hatten 150 taz-LeserInnen und -GenossInnen mit Aktivistin Hanna Poddig, Kampagnen-Organisator Christoph Bautz und der grünen Umweltpolitikerin Bärbel Höhn über die Perspektiven des Antiatom-Protests diskutiert. Die Debatte zeigte: Beim Kampf gegen die Atomenergie baut längst nicht mehr jedeR auf die Grünen.

12.15 Uhr ++ Washingtonplatz ++

Tausende sind mittlerweile auf dem Platz versammelt. Sambagruppen trommeln, überall Fahnen, gute Stimmung insgesamt. Die Treppen und Aufgänge im Bahnhof sind komplett verstopft. Jetzt beginnt die Kundgebung.

11.55 Uhr ++ Hauptbahnhof ++

Auf Gleis 11 rollt mit einer Viertelstunde Verspätung der erste von drei Sonderzügen ein. Er kommt aus Lüneburg. Hunderte Atomkraftgegner auf dem Bahnsteig. Gute Stimmung, Fahnen, Vuvuzela. Auf einem anderen Gleis proben Chöre für den späteren Auftritt bei der Umzingelung des Regierungsviertels. Immer mehr Menschen strömen auf den Washingtonplatz

11.35 Uhr ++ Washingtonplatz ++

Es geht los. Einige hundert Demonstranten sind schon eingetroffen. Fahnen mit der Anti-Atom-Sonne, Luftballons, Transparente von Grünen, SPD, DKP. Zahlreiche Initiativen haben Stände aufgebaut. Auch im Hauptbahnhof sind viele Akw-GegnerInnen.

++ Atomkraftgegener attackieren vor Demo Kurs der Regierung ++

BERLIN afp | Vor der Großkundgebung gegen längere Akw-Laufzeiten haben Atomkraftgegner den energiepolitschen Kurs der Bundesregierung scharf kritisiert. "Mit der heutigen Demonstration werden wir der Bundesregierung zeigen, dass sie mit ihrem atompolitischen Kurs nicht durchkommt", erklärte der Sprecher der Organisation ausgestrahlt, Jochen Stay, am Samstag in Berlin. "Wir lassen jetzt nicht mehr locker, bis wir die Regierungspläne gekippt haben und die Atomkraftwerke endlich stillgelegt werden", kündigte Stay weiter an. Er warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, nur die Interessen der Akw-Betreiber RWE, Eon, EnBW und Vattenfall zu bedienen.

Zu der Protestkundgebung, die sich gegen die weitere Nutzung von Atomkraftwerken generell richtet, werden ab 12.00 Uhr mehrere zehntausend Menschen am Berliner Hauptbahnhof erwartet. Unter dem Motto "Atomkraft: Schluss jetzt!" will ein breites Bündnis aus Umweltverbänden, Gewerkschaften, Parteien und Bürgerinitiativen das Regierungsviertel am Nachmittag umzingeln. Auch SPD, Grüne und Linke haben zur Teilnahme an der Kundgebung aufgerufen und wollen mit ihren Spitzenpolitikern vor Ort sein. Union und FDP hatten beschlossen, die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um acht bis 14 Jahre zu verlängern.

Der SPD-Umweltexperte Matthias Miersch kündigte erneut an, seine Partei werde im Falle eines Wahlsiegs bei der Bundestagswahl 2013 mögliche Akw-Laufzeitverlängerungen wieder rückgängig machen. Die Stromkonzerne seien "Vertragsbrecher" und dürften darum auch keinen Vertrauensschutz mehr genießen, sagte Miersch im Deutschlandradio Kultur. Ähnliche Ankündigungen gibt es auch von Grünen und Linken.

++ Was vorher geschah ++

Zur "Großdemo" in Berlin gegen die Atompolitik der Bundesregierung haben unter anderem der B.U.N.D., die Intitiative "ausgestrahlt" und Campact aufgerufen. Im Rahmen der Veranstaltung will man am Samstag um 14.30 Uhr versuchen, das Regierungsviertel komplett zu umzingeln.

Die Abschlussveranstaltung der für den 18. September 2010 geplanten Demonstration gegen Atomkraft darf nicht auf der Rasenfläche vor dem Reichs­tag (Platz der Republik) stattfinden. Eine entsprechende Auflage der Versammlungsbehörde hat das Verwaltungsgericht Berlin am Freitag im Eilverfahren bestätigt.

Wie das Protestbündnis am Freitag mitteilte, ist die Auftaktveranstaltung nun am Sonnabend (12 Uhr) auf dem Washingtonplatz am nahegelegenen Hauptbahnhof vorgesehen. Dort soll auch nach einem Protestzug rund um das Regierungsviertel und einer Sitzdemonstration die Abschlusskundgebung (16 Uhr) stattfinden. Mehr Infos zu dem Hick-Hack um die Reichstagswiese.

++ Es berichten ++

Live vor Ort: Martin Kaul, Reimar Paul, Julia Seeliger, Jörn Alexander und Malte Kreutzfeldt

In der Redaktion: Paul Wrusch

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