Schwedische Atomaufsicht greift durch: Vattenfall-AKW muss an die Leine

Die schwedische Atomaufsicht stellt das Vattenfall-Kraftwerk Ringhals unter besondere Kontrolle. Grund ist die mangelhafte Sicherheitskultur des Betreibers.

Unter "verschärfter Aufsicht": schwedisches Atomkraftwerk Ringhals südlich von Göteborg. Bild: dpa

Auch in seinen schwedischen Atomreaktoren hat Vattenfall massive Sicherheitsprobleme. Nach einer Kette von 60 Störfällen allein in diesem Jahr hat die schwedische Aufsichtsbehörde SSM am Mittwoch beschlossen, das AKW Ringhals unter eine "verschärfte Aufsicht" zu stellen. Dies ist der letzte Schritt vor dem Entzug der Betriebserlaubnis.

Begründet wird dies mit mangelhafter Sicherheitskultur. Seit 2005 werde in allen vier Reaktoren des AKW Ringhals gegen Sicherheitsinstruktionen verstoßen. Dies sei von der Behörde bei Stichprobenkontrollen festgestellt und mehrfach bemängelt worden. Aber der Betreiber habe diese Probleme bislang nicht in den Griff bekommen.

Eine "verschärfte Aufsicht" hatte die Atomaufsicht bislang erst zweimal in der Geschichte der schwedischen Atomenergie verhängt. Beim mittlerweile stillgelegten AKW Barsebäck, als dieses 2003 trotz einer teilweisen Verstopfung des Kühlsystems nicht abgeschaltet worden war, und im AKW Forsmark nach dem Beinahe-GAU im Sommer 2006. Auch Forsmark ist ein Vattenfall-Reaktor.

Leif Karlsson, Abteilungsleiter für Kernkraftsicherheit bei der Atomaufsicht, begründete den jetzigen Schritt mit erwiesenermaßen mangelhaftem Sicherheitsdenken des Personals und offenbaren Führungsproblemen der Kraftwerkleitung. Wiederholt seien zwingende Instruktionen nicht eingehalten worden. Dadurch sei es zu einer Häufung von Störfällen gekommen. Obwohl der Kraftwerkbetreiber Besserung versprochen habe, seien entsprechende Resultate nicht sichtbar. Nun wird dem Betreiber eine erweiterte Berichtspflicht auferlegt, und die Behörde fordert bis Anfang November ein neues Konzept für eine wirksamere interne Revision.

Unter den rund 60 Störfällen in Ringhals allein bis Mitte Mai 2009 waren zwei der höchsten schwedischen Sicherheitsstufe "Klasse 1", die ein "begründetes Misstrauen für eine ernsthafte Gefährdung der Sicherheit" bedeutet. Als derartiger Störfall eingestuft wurde, dass der Reaktor Ringhals 1 mehr als zwei Monate lang mit einem außer Funktion gesetzten automatischem Sicherheitssystem betrieben worden war. Entdeckt wurde die Nichtfunktion dieser zentralen Sicherheitskomponente zufällig beim Herunterfahren des Reaktors zum jährlichen Wechsel der Brennelemente im März.

Eine anschließende Untersuchung der Behörde stellte fest, dieser Vorfall sei Ergebnis einer durchgängig unzureichenden Sicherheitskultur. "Dies kann auf Sicht die Reaktorsicherheit gefährden", heißt es.

Dass nach Forsmark mit Ringhals wieder einem Vattenfall-AKW der Vorwurf gemacht wird, die Sicherheit nicht genügend zu prioritieren ist laut Ringhals-Kommunikationschef Gösta Larsen "etwas, das nicht gerade positiv für uns ist". Das wird auch in Deutschland so gesehen: Die jetzt bekannt gewordenen Vorfälle in Schweden bestärkten das Vertrauen in Vattenfall "mit Sicherheit nicht", sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums am Mittwoch in Berlin.

Das Atomkraftwerk Ringhals gehört zu 70 Prozent Vattenfall und zu 30 Prozent der schwedischen Tochter des deutschen Eon-Konzerns. Seine vier Reaktoren decken rund 18 Prozent des schwedischen Strombedarfs.

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