Abfall mit System: Verordnetes Chaos

Wer Verpackungen in Umlauf bringt, zahlt auch für ihre Entsorgung. Was vernünftig klingt, scheitert am erbitterten Wettbewerb der Unternehmen und fehlenden Kontrollen.

Gehört die Folie, mit der Discounter ihre Ware bündeln, zur Verpackung? Bild: dpa

Wie funktioniert ein Wettbewerb, in dem die Unternehmen sich selbstverwaltet Regeln geben und in denen es an Kontrollen mangelt? Nicht so gut. Die Branche der Verpackungsindustrie liefert dafür dieser Tage ein Beispiel. Die Entsorgung von Verpackungsmüll ist in Deutschland eigentlich vernünftig geregelt, nach dem Prinzip: Wer Verpackungen herstellt oder verkauft, zahlt auch dafür, dass sie wieder eingesammelt und verwertet werden (siehe Grafik).

Doch Entsorgungsunternehmen und Industrie streiten erbittert um die Umsetzung der entsprechenden Verordnung. Neun Duale Systeme - Dienstleistungsunternehmen, bei denen Hersteller ihren Abfall lizenzieren können - teilen sich den Markt auf. Alle werfen sich gegenseitig vor, auf Kosten der Wettbewerber gute Geschäfte zu machen - indem sie die gesetzlichen Regelungen weit ausdehnen oder sie gar überschreiten. Das Problem: Die Unternehmen selbst müssen sich darauf einigen, was überhaupt eine Verpackung ist. Der Kunststofftopf, in dem eine Pflanze verkauft wird, die Folien, mit denen Discounter Plastikflaschen bündeln - die einen lizenzieren sie als Verpackung, die anderen nicht. "Die Unfähigkeit der Dualen Systeme, sich auf einheitliche Standards zu einigen, zeigen, dass das momentane System nicht reformfähig ist", wettert der Präsident des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung, Burkhard Landers.

Tatsächlich sind die Möglichkeiten für Hersteller und Duale Systeme zahlreich, auf Kosten der anderen zu sparen. Denn die Bundesregierung ist im vergangenen Jahr, als sie die Regeln für die Entsorgung überarbeitet hat, vor den Interessen von Industrie und Handel eingeknickt und hat in der Verpackungsnovelle Schlupflöcher gelassen. Zum Beispiel können bestimmte Mengen der etwa sieben Millionen Tonnen Folien oder Papier, die jährlich als Verpackungsmüll anfallen, in einer "Branchenlösung" angemeldet werden. Wenn klar ist, dass eine Verpackung nicht beim Endverbraucher landet, dann muss die entsprechende Menge nicht beim Dualen System angemeldet werden. Das spart Geld, denn Branchenlösungen sind billiger.

Bild: taz-grafik

Also bieten findige Systembetreiber den Unternehmen an, möglichst viele ihrer Verpackungen als Branchenlösung zu definieren - und schon sinkt die Menge des lizenzierten Abfalls. Dazu werden noch einige Verpackungen als zum Produkt gehörig umdefiniert - siehe Blumentopf - und eine besonders "günstige Lösung" ist gefunden. Laut einer aktuellen Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) sind nur rund 75 Prozent der anfallenden Verpackungen lizenziert. Die restlichen 25 Prozent fallen aus dem System heraus. Skandalös findet das die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Denn die vorgeschriebene Quote, zu der Folien und Co stofflich hochwertig wiederverwertet werden müssen, gilt nur für die tatsächlich lizenzierte Menge. "Was nicht im Dualen System angemeldet ist, wird so billig wie möglich entsorgt", sagt Maria Elander, Referentin für Kreislaufwirtschaft der DUH. Im "besten Fall" werde der Abfall verbrannt, im schlimmsten illegal abgelagert.

Beinahe jeder Branchenkenner raunt, dass Verstöße gegen die Verpackungsverordnung - also Rechtsbruch - gang und gäbe sind. Im Bundesumweltministerium verweist man feixend auf die Länder, die das komplexe Duale System kontrollieren müssten. Doch großes Aufsehen haben sie bisher nicht erregt, indem sie Fehlverhalten von Marktteilnehmern aufgedeckt hätten. Statt der Bundesländer sind es Umweltorganisationen wie die DUH, die immer neue Fälle von Unternehmen findet, die ihre Vollständigkeitserklärung nicht abgegeben haben, oder von Herstellern, die eindeutig zu viel Abfall in die billige Branchenlösung lenken. Von der zuständigen Arbeitsgemeinschaft der Länder, LAGA, heißt es, man werde sich Anfang nächsten Jahres mit dem Thema befassen.

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