Windenergie vs Atomkraft: "Wind liefert stundenweise mehr Strom als AKWs"

Windräder werden künftig immer häufiger mehr ins Netz einspeisen als alle deutschen Atomkraftwerke zusammen, erklärt Energieexperte Raimund Kamm.

Ob nach installierter Leistung, Nennleistung oder tatsächlicher Einspeisung: Windkraft holt auf, vor allem im Norden Bild: dpa

taz: Herr Kamm, die installierte Leistung der deutschen Windkraftanlagen überschreitet neuen Zahlen zufolge die der Atomkraftwerke. Doch so wenig, wie die Leistung eines Autos darüber aussagt, wie oft es gefahren wird, so wenig sagt die Leistung der Windkraftanlagen über die Menge des erzeugten Stroms. Die schwankt ja je nach Windstärke.

Raimund Kamm: Deshalb bevorzuge ich statt des physikalischen Begriffs der Leistung den Ausdruck Kraftwerkskapazität. Doch auch was die tatsächliche Stromerzeugung betrifft, liegt der Wind gelegentlich schon vorne: In Deutschland kommt es stundenweise vor, dass die Windkraft mehr Energie liefert als alle AKWs zusammen. Das wird künftig immer häufiger der Fall sein.

Die Nennleistung der Windkraft liegt inzwischen über 23.000 Megawatt, wie hoch liegt denn die tatsächliche Einspeisung von Windstrom im Idealfall?

Werte bis 18.700 Megawatt wurden schon erreicht. Möglicherweise wird man beim nächsten starken Wind erstmals über 20.000 Megawatt kommen.

Aber die installierte Leistung der Atomkraft liegt noch immer höher, bei gut 21.000 Megawatt.

Auch diese Leistung ist natürlich nur eine technische Kenngröße, die nicht rund um die Uhr erreicht wird. Im letzten Jahr lag die mittlere Erzeugung aller deutschen Atomkraftwerke bei rund 16.000 Megawatt. Und die aktuellen Werte liegen, wie man auf der Internetseite der Strombörse nachlesen kann, nur zwischen 13.000 und 14.000 Megawatt.

Wenn die Windkraft immer häufiger die Erzeugung aus Atomstrom überschreitet, was bedeutet das für das Stromnetz?

Die Kraftwerke müssen flexibler werden. RWE und Eon veröffentlichen ihre Kraftwerksdaten, und daran kann man erkennen, dass die Unternehmen Steinkohle- und Gaskraftwerke herunterfahren, wenn viel Wind weht. Mit Atomkraftwerken geht das nicht so einfach, deshalb passen sie auch nicht mehr zur boomenden Windkraft, deren Stromerzeugung sich in den letzten sechs Jahren verdoppelt hat. Heute erzeugt der Wind in der Jahressumme schon ein Drittel so viel Strom wie die Atomkraft, und die Entwicklung geht rasant weiter.

Sie wohnen in Bayern, wo es wenig Windkraftanlagen gibt. Muss da nicht mehr geschehen?

Unbedingt, Süddeutschland muss die Windkraft ausbauen, auch wegen der Verteilung. Ein Hochdruckgebiet, das üblicherweise mit wenig Wind einhergeht, hat einen Durchmesser von maximal 1.000 Kilometern, und deswegen ist es vorteilhaft, wenn man die Windkraft in unterschiedlichen Regionen nutzt. INTERVIEW: BERNWARD JANZING

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