Debatte über Energielücke: Zu viel Strom für Deutschland

Keine Angst vorm Blackout: Rein rechnerisch laufen 2008 drei deutsche Atomkraftwerke nur für den Export. Und erstmals werden wohl über 100 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom produziert.

Von wegen Stromlücke in Deutschland: Deutsche AKWs, hier Biblis, produzieren fürs Ausland mit. Bild: ap

Die Stromindustrie gerät unter Druck: Das Bundeskartellamt wird "prüfen, ob es hier kartellrechtliche Ansatzpunkte gibt", sagt dessen Präsident Bernhard Heitzer in der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung. Seit Dezember 2007 müssen die Stromkonzerne belegen, dass ihre Preiserhöhungen nicht auf einen Missbrauch ihrer Marktmacht zurückzuführen sind. Zuvor lag die Beweislast beim Kartellamt. Auch bei den Gaspreisen besteht für Heitzer "der dringende Verdacht, dass es sich um eine missbräuchliche Ausnutzung der Marktstellung handelt". Missbräuche würden "identifiziert und so weit wie möglich abgebaut", kündigt Heitzer an. Die Gasunternehmen wurden vom Kartellamt aufgefordert, ihre Preiskalkulationen offenzulegen. Bis Ende des Jahres will die Behörde erste Entscheidungen bekanntgeben - das kann auch eine staatlich verordnete Preissenkung bedeuten.

Deutschland wird im Jahr 2008 voraussichtlich mehr Strom exportieren als je zuvor in seiner Geschichte. Im ersten Halbjahr lag der Exportüberschuss bei 14,4 Milliarden Kilowattstunden und damit gut 30 Prozent höher als im Vorjahr. Das geht aus vorläufigen Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen hervor, einer Institution, die von den Verbänden der Energiewirtschaft getragen wird.

Im gesamten Jahr 2007 hatte Deutschland 19 Milliarden Kilowattstunden an Stromüberschuss erzeugt, der ins Ausland abfloss. 2006 waren es sogar 19,8 Milliarden - das war bislang der Rekord in der deutschen Stromgeschichte. Für 2008 dürfte sich der Überschuss bis Jahresende allerdings auf rund 25 Milliarden summieren. Eine Stromlücke sieht anders aus: Rund drei deutsche Atomkraftwerke laufen inzwischen rechnerisch nur für den Export.

Der Grund für diese Exportbilanz liegt im Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn auch dort steht ein neuer Rekordwert bevor: Möglicherweise wird Deutschland im Jahr 2008 erstmals in der Stromgeschichte die markante Schwelle von 100 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom überschreiten. Im vergangenen Jahr hatte der Wert bei 87,5 Milliarden gelegen. Der Anteil des Ökostroms am deutschen Energiemix dürfte damit von gut 14 Prozent im letzten Jahr auf über 16 Prozent in diesem Jahr ansteigen.

Die Zahl für 2008 ergibt sich aus den Schätzungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) - also der etablierten Stromwirtschaft. Der BDEW prognostiziert aktuell für das Jahr 2008 eine Einspeisung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von rund 78 Milliarden Kilowattstunden. Hinzu kommen Einspeiser, deren Strom nicht nach EEG vergütet wird, worunter vor allem die traditionelle große Wasserkraft fällt. Diese Kraftwerke ohne EEG-Vergütung erzeugen jährlich gut 20 Milliarden Kilowattstunden an Ökostrom.

Ob die symbolträchtige Grenze von 100 Milliarden am Ende des Jahres 2008 tatsächlich erreicht oder doch noch knapp verfehlt wird, hängt in erster Linie vom Wind ab, der rund die Hälfte des deutschen Ökostroms erzeugt. Ein einigermaßen windreicher Herbst würde reichen, die Ökostromerzeugung erstmals in den dreistelligen Milliardenbereich zu bringen.

Der Abstand der erneuerbaren Energien zur Atomkraft schwindet damit beträchtlich. Im vergangenen Jahr produzierten die 17 deutschen Atomkraftwerke 133 Milliarden Kilowattstunden und deckten damit 22 Prozent des hiesigen Strombedarfs. Damit ist absehbar, dass die erneuerbaren Energien bereits in wenigen Jahren die Erzeugung von Atomstrom überschreiten werden - je nach Fortgang des Atomausstiegs.

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