Neues Öko-Siegel: Zwischen Kimme und Korn

Ab Juli müssen Öko-Produkte in der EU ein neues Siegel tragen, über dessen Entwurf die Verbraucher entscheiden. Eine kleine Kunstkritik der drei zur Wahl stehenden Logos.

Das Modell gefallener Stern. Bild: eu

Noch bis Ende Januar können alle Europäer im Internet über ein neues Biologo abstimmen. Das Zeichen mit den meisten Stimmen muss ab Juli 2010 auf sämtlichen vorverpackten Ökolebensmitteln stehen, die aus der Europäischen Union stammen. Die EU-Kommission stellt auf einer Website drei Gewinner eines Wettbewerbs unter Designstudenten zur Auswahl. Ziel: Die Verbraucher sollen Bioprodukte leichter erkennen können.

In Deutschland hat das aber - anders als in anderen EU-Staaten - auch bisher schon ganz gut funktioniert, findet Alexander Gerber, Geschäftsführer des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Hier tragen fast 60.000 Produkte das sechseckige Biosiegel des Bundesverbraucherministeriums. Gerber befürchtet nun, dass manche Firmen auf das deutsche Siegel verzichten, wenn das EU-Logo Pflicht wird. "Die Unternehmen wollen natürlich so wenig Logos wie möglich", erklärt der BÖLW-Vertreter. Aber diese Diskussion scheint entschieden zu sein: Das Pflicht-Biologo der EU wird wohl kommen. Die deutsche Biobranche versucht sich nur noch in Schadensbegrenzung. Denn die drei Logos, die bei der Onlineabstimmung zur Wahl stehen, "lassen Bio noch nicht einmal als Bio erkennen", sagt Gerber. Zum Beispiel Vorschlag Nummer 1: Er zeigt europäische Sterne, aber keinen Hinweis auf Landwirtschaft oder Öko.

In Brüssel überlegt man deshalb, ob nicht doch noch Ergänzungen nötig sind, etwa ein Schriftzug, der das Ganze erklärt. In etwa wie das "Bio", das ist ja auch Kern des deutschen Siegels.

Oh Bio, meine Sehnsucht

Das Modell Gefallener Stern, in der Abbildung ganz oben zu sehen: Auf zartgrünem Hintergrund formen zwölf Sterne ein Blatt, dessen Spitze einen Schweif trägt, der in zurückhaltender Deutlichkeit auf die Ewigkeit verweist. Geht es hier um die Live-Übertragung von "Wetten, dass …" nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz oder doch den Eurovision Song Contest? Irgendwas hat es jedenfalls mit der EU zu tun. Und weil die Freude, schöner Götterfunken, aus dem Himmel kommt, hängt auch das Ökosiegel dort fest. Wer den Großen Wagen erkennt, wird ja wohl auch auf Bio kommen. Und der Stern von Bethlehem hatte ja auch etwas Wegweisendes, so in Richtung Stall, Stroh und glückliches Vieh. Der fallende Stern im Logo deutet zudem auf die Unabgeschlossenheit des ökologischen Prozesses hin. DAZ, NAT

Vom Nilschlamm zum Büffel

Das Modell Wandteppich: Im Kreislauf des Lebens zwischen Nilschlamm und Büffel. So sah der Zeichner aus dem alten Ägypten das Themenfeld Ökologie. Oder ist die modern-naive Form nur ein Hinweis darauf, dass die Ökolandwirtschaft zum Ursprung zurückkehren muss? Wie auch immer, das ganze Siegel sieht wie ein leicht nachzuknüpfender Wandteppich aus, der auf jedem Touristenmarkt zwischen Abu Simbel und Alexandria zu kaufen sein könnte. Von allen drei Entwürfen jedoch ist dieser der attraktivste für Kinder, weil darauf so ein hübsches Tier zu sehen ist. Wer weiß, welchen Druck der Nachwuchs im Supermarkt ausüben kann, der wird dieses Logo anderen vorziehen. NAT, DAZ

Bild: eu

Zurück zur Mutter Natur

Das Modell Vulva: Eine fleischige durchgezogene Linie formt einen reichlich stilisierten Keim, dem Umriss nach jenem EU-Blatt nicht unähnlich. In seiner Schlichtheit symbolisiert dieses Logo die Demut vor der Natur und dem Leben. Ökologisch-unbedarfte Betrachter mögen auch an primäre weibliche Geschlechtsmerkmale denken. Wie auch immer, klar ist: Hier wächst und gedeiht etwas, hier ist der Zyklus des Lebens im Gange. Auf Verpackungen gedruckt, mag das Logo jedoch wie unmotiviert hingeschmiertes Edding-Gekrakel wirken. Auch Hersteller, die sich mit ihren Waren im Premiumsegment bewegen, könnten durch die Assoziation "Keim" eine Abwertung ihres Produktes erleben. Keim, das klingt doch sehr nach Infizierung, Grippe, wohl gar vom Schwein. NAT, DAZ

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