Textilfirma muss Abfindungen zahlen: Abwandern kann teuer werden

Französisches Arbeitsgericht: Bademodenhersteller Arena muss 96 ehemaligen Beschäftigte je 50.000 Euro zahlen. Die Firma hatte sie entlassen, um in China billiger zu produzieren.

Noch nicht im Billiglohnland: Strumpffabrik in Sachsen. Bild: dpa

Strafe für Abwanderung in ein Niedriglohnland: Der Bademodenhersteller Arena - weltweit Nummer zwei der Branche - muss 96 ehemaligen ArbeiterInnen je 50.000 Euro Entschädigung zahlen, weil er sie "ohne echten und ernstzunehmenden Grund" entlassen hat. Insgesamt kostet das Arena also fast fünf Millionen Euro. Diese Entscheidung hat das Arbeitsgericht in der südwestfranzösischen Stadt Libourne in dieser Woche gefällt. Arena hatte seine Fabrik in Libourne im März vergangenen Jahres geschlossen, die Kündigungen als "betriebsbedingt" begründet und die Produktion nach China verlagert. Dort ist der Gestehungspreis pro Badeanzug 0,64 Euro niedriger.

"Klar freue ich mich über das Geld. Aber das Wichtigste ist, dass die Bosse beim nächsten Mal zweimal überlegen werden, bevor sie eine Fabrik in ein Billiglohnland verlagern", reagiert Marie-Christine Seze auf das Urteil des Arbeitsgerichtes. Die 53-Jährige hat 25 Jahre für Arena gearbeitet. In der Fabrik von Libourne waren 94 Prozent der Beschäftigten Frauen. Ihr Durchschnittsalter von über 45 Jahren macht es für die meisten unwahrscheinlich, dass sie je eine neue Beschäftigung finden. Die 55-jährige Lucette Leygnac jubelt: "Das Urteil ist der Beweis, dass Standortverlagerungen bestraft werden können." Und der 55-jährige Michèle Paludetto freut sich, dass das Gericht anerkannt habe, dass eine Verlagerung "in ein Land mit niedrigeren Sozialleistungen keine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigt". Von den insgesamt 169 Beschäftigten der im März 2007 geschlossenen Fabrik haben bislang nur zwei Drittel geklagt. Ihr Erfolg dürfte ihre ExkollegInnen zur Nachahmung ermuntern.

Das paritätisch von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite besetzte Gericht in Libourne widerlegt sämtliche Entlassungsgründe, die Arena vorgebracht hatte. Das gut gehende Unternehmen - der Gewinn im vergangenen Jahr betrug 82 Millionen Euro - habe nicht etwa vor dem Aus gestanden, begründet das Gericht, sondern es habe seine Gewinnmarge in China erhöhen wollen.

Dieses Ansinnen sei zwar verständlich, rechtfertige jedoch keine "betriebsbedingten Entlassungen". Das Gericht bestreitet auch, dass Arena einen größeren finanziellen Spielraum für Werbezwecke benötigt habe. Im Gegenteil: "Arena ist dank seiner Ikone Laure Manaudou international bekannt." Die dreifache olympische Goldmedaillengewinnerin Manaudou wirbt für das Unternehmen.

Die Marke Arena war 1973 von Adidas gegründet worden. 2001 stieg erstmals ein Investmentfonds ein. Im Herbst 2006 übernahmen vier Chefs von Arena das Unternehmen. Hinter ihnen stehen zwei Investmentfonds, die seither Arena kontrollieren. Bis zu ihrem Einstieg bekamen die Beschäftigten in Libourne wegen der Qualität ihrer Arbeit vielfach Lob. Wenige Wochen nach dem Management-Buy-out erklärte der französische Arena-Chef Frankreich, Nicolas Préault, erstmals, die Gestehungskosten in Frankreich seien zu hoch: "40 Prozent höher als im Ausland".

GewerkschafterInnen in Frankreich hoffen, dass das Urteil ein Präzedenzfall wird. Nachdem ein Großteil der französischen Textilindustrie bereits in Billiglohnländer abgewandert ist, wollen sie nun Verlagerungen im Computerbereich verhindern. Die Arena-Unternehmensleitung ist abgetaucht. Ihre einzige Mitteilung lautet, dass sie eine Berufung erwäge. Abgesehen von dem bereits eingetretenen Imageschaden könnte ein solcher Schritt teuer werden: Die Exbeschäftigten erwägen, ihre Schadensersatzforderungen in der nächsten Instanz zu verdoppeln.

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