Professor Diether Döring: "Alte leben nicht auf Kosten Jüngerer"

Kritiker der Rentengarantie sollten vergangene Kürzungen mitbedenken, sagt Diether Döring. Ein OECD-Vergleich zeige: Das Renten-Niveau in Deutschland ist unterdurchschnittlich.

Bei den Rentnern wurde schon viel gekürzt, sagt Diether Döring. Bild: ap

taz: Herr Döring, in den nächsten Jahren gibt es Nullrunden für Rentner - ohne Rentengarantie hätten Kürzungen gedroht. War es richtig, die Garantie auszusprechen?

Diether Döring: Die Rentengarantie steht eigentlich im Widerspruch zur Logik des Systems - dass Renten mit der Lohnentwicklung mitwandern sollten. Von daher könnte man gegen die Rentengarantie sein. Aber: In den letzten Jahren gab es eine Fülle von Maßnahmen, mit denen mögliche Erhöhungen nicht oder nicht ganz auf die Ruheständler übertragen wurden. Die rot-grünen Reformen haben ein kräftiges Senkungsprogramm für die Renten installiert. Das muss man mitbedenken.

Leben die Alten bei der Rente auf Kosten der Jüngeren?

Der 70-Jährige ist Professor für Sozialpolitik und Finanzwissenschaft an der Akademie der Arbeit (Universität Frankfurt). Er arbeitet unter anderem zu den Themen Alters- und Gesundheitssicherung, Steuerpolitik und Arbeitsmarkt.

Ich halte relativ wenig von dieser Sichtweise. Ein aktueller Vergleich der OECD für 2009 zeigt, dass in Deutschland schon heute das Durchschnittsrentenniveau für Durchschnittsverdiener unterhalb des Levels europäischer Wohlfahrtsstaaten liegt. Noch gravierender ist die Situation für Menschen mit niedrigen Löhnen und unterbrochenen Erwerbskarrieren, unter anderen für viele Frauen. Sie haben im deutschen Rentensystem ungewöhnlich niedrige Ansprüche - bräuchten aber Renten oberhalb des Grundsicherungsniveaus.

Was könnte man gegen die zunehmende Altersarmut tun?

Da muss man früh anfangen. Die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder müssen ausgebaut werden, damit Eltern die Chance auf eine kontinuierliche Arbeitskarriere haben. Dass Tarifvertragssystem schwächelt immer mehr, in weiten Teilen des Ostens versagt es fast. Wir brauchen daher eine allgemeine Mindestlohnregelung. Bei der Rente propagieren wir stark das Äquivalenzprinzip: Wer wenig zahlt, kriegt wenig. Es gibt aber neben Deutschland kaum noch eine entwickelte europäische Ökonomie, die Leuten mit niedrigem Lohn Zuschläge beim Rentenanspruch verweigert.

Brauchen wir ein Rentenversicherungssystem für alle?

Ja. Langfristig müssen alle Formen von Erwerbstätigkeit im Rentensystem gleich behandelt werden; das hätte eine armutvermeidende Qualität. Man darf nicht vergessen: Fast drei Viertel aller Selbstständigen sind gar nicht abgesichert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.