Ungarn droht der Staatsbankrott: Arm dank Schweizer Franken

Der IWF sagt Ungarn finanzielle Unterstützung zu. Zuvor war die Landeswährung stark unter Druck geraten.

Wechselstube in Budapest: Der Forint wurde zum Spekulationsobjekt. Bild: reuters

BUDAPEST taz Der Internationale Währungsfonds (IWF) will dem durch die Finanzkrise angeschlagenen Ungarn mit einem "substanziellen Finanzpaket" unter die Arme greifen. Beide Seiten hätten sich auf ein Programm zur Stabilisierung des Landes geeinigt, kündigte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn an, ohne eine genauere Summe zu benennen. Im Gegenzug dafür werden von der ungarischen Regierung Wirtschaftsreformen erwartet. Aufgrund hoher Auslandsverschuldung leidet das Land schwerer als andere Länder der Region unter der Finanzkrise.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die Mitgliedsstaaten mit akuten Zahlungsschwierigkeiten beistehen soll. Jetzt will er der Ukraine einen Kredit über 16,5 Milliarden Dollar (13 Mrd. Euro) gewähren. Die Wirtschaft des Landes leidet vor allem unter dem Preisverfall von Stahl, dem Hauptexportprodukt des Landes, sowie einem drastischen Kursverfall der Landeswährung Hrywnja.

Der IWF will außerdem dem von der Finanzkrise besonders schwer getroffenen Inselstaat Island einen Kredit von über umgerechnet 1,6 Milliarden Euro gewähren. Vorige Woche hatte zudem Pakistan den Weltwährungsfonds dringend um Hilfe gebeten. REUTERS, DPA

So realisierten in den letzten Jahren sehr viele Ungarn ihren Traum vom Eigenheim. Steuererleichterungen machten die Aufnahme von Krediten möglich, die heimischen Banken boten Hilfe in stabiler Schweizer Währung an, und die Familie bürgte für die Söhne und Töchter. Das Problem dabei jedoch war: Der Kredit wurde zwar in Forint ausgezahlt, aber am Tag der Überweisung in Schweizer Franken umgerechnet.

Von da an schuldete der neue Eigentümer der Bank die Summe in Franken, und das Geldistitut stellte von Jahr zu Jahr die monatliche Zinsrate anhand des Wechselkurses in Forint fest. Wenn jetzt die ungarische Währung wegen der globalen Krise rasant an Wert verliert, zahlen die verschuldeten Magyaren höhere Raten und rutschen in die Armut ab.

Mit Geldgeschenken erkaufte Wahlsiege machten Ungarn schon vor zwei Jahren fast bankrott, wie auch Premierminister Ferenc Gyurcsány inzwischen zugeben musste. Dennoch wurden die hohen Staatsausgaben nur unzureichend zurückgeschraubt. Wille und Mut fehlten, und die wenigen Reformen wurden durch ein Referendum der Opposition wieder rückgängig gemacht.

Das verschuldete Land zahlte seine Kredite zurück, indem es dafür neue Kredite aufnahm. Doch nun will in der globalen Krise plötzlich keiner mehr Ungarn Geld leihen. Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren die größten Investitionen ausgerechnet in der global besonders betroffenen Autoindustrie erfolgten. Jetzt fürchtet das ganze Land, dass die Werke schließen könnten. Opel hat den Betrieb bereits für einige Wochen ausgesetzt, und die vielen einheimischen Zulieferanten mussten die ersten Arbeiter entlassen.

Kaum besser ergeht es der Bauindustrie. Die Banken haben wegen der Risiken die Kredite in Schweizer Franken ausgesetzt. "Wir haben kaum Kunden", sagt ein Unternehmer, der Wohnhäuser verkauft. "Es ist beispiellos, wie Banken und Baufirmen in der schwierigen Zeit einander aushelfen", spricht er sich selbst Mut zu. Zudem ist die Sorge zu hören, dass die internationalen Geldinstitute nicht die Interessen Ungarns verfolgen, sondern die des Landes, in dem ihre Mutterhäuser angesiedelt sind.

Mit dem ungarischen Forint kann man zurzeit nur im Ausland Geschäfte machen. Letzte Woche nutzten Spekulanten ihre Chance. Am Donnerstag und Freitag stand Ungarn still, um der Revolution von 1956 zu gedenken. Der Forint wurde trotzdem gehandelt - aber nur außerhalb des Landes. Da so die Summe klein war, fiel es leichter, den Kurs zunächst nach oben und dann schnell wieder nach unten zu treiben. Als Premier Gyurcsány seinen Kranz am Denkmal der Revolution niederlegte, erreichte der Forint ein neues Allzeittief.

Jetzt sieht man, was für ein Fehler es war, die Euroeinführung nicht als oberste Priorität gesehen zu haben - stöhnte in der Tageszeitung Népszabadság Ungarns EU-Komissar Péter Balázs. Doch die großen EU-Staaten scheinen Ungarn in der schwierigen Zeit nicht vergessen zu haben. Der Ministerpräsident bekam einen Anruf vom britischen Premier Gordon Brown, und auch mit Angela Merkel hat er gesprochen. Im Land selbst scheint die Krise indes noch nicht richtig angekommen. In den Restaurants verschwenden sie ihr Geld so, wie es sich für Ungarn gehört. Pünktlich zum drohenden Staatsbankrott machte Gucci eine erste Filiale an der Donau auf.

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