Kontrolle der Finanzmärkte: Bankenaufseher dämpft Erwartungen

Deutschlands oberster Finanzüberwacher Jochen Sanio will die Macht der Ratingagenturen brechen, die hauptverantwortlich für die Finanzkrise seien.

Jürgen Sanio ist Chef der Bankenaufsicht Bafin. Bild: dpa

Jochen Sanio ist kein Mann, der um den heißen Brei herumredet. Für den Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Bafin, ist klar, wer zuallererst Schuld an der Krise hat: die Ratingagenturen. Diese sorgen für den Fluss von Milliardensummen, indem sie die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten bewerten. "Sie stuften Fonds viel zu lange zu gut ein, die eigentlich Müll waren", sagte Sanio der taz am Rande einer finanzpolitischen Diskussion der Grünen im Bundestag.

Die Gegenwart sei "extrem gefährlich", und "alles, was da kreucht und fleucht auf den Finanzmärkten, muss beaufsichtigt werden", sagte Sanio wenige Tage vor dem Weltfinanzgipfel, zu dem sich die führenden Industrie- und Schwellenländer (G 20) ab Donnerstag in London treffen.

Sanio hat die Dokumente, die auf dem Treffen verabschiedet werden sollen, mit vorbereitet - als Mitglied im Financial Stability Forum, einem internationalen Zusammenschluss der Finanzaufseher. Allerdings dämpfte er zugleich die Erwartungen: "Man bekommt auf einem Gipfel nicht gleich die Hundert-Prozent-Lösung."

Auslöser der Finanzkrise war vor zwei Jahren das Platzen einer Kreditblase auf dem US-Immobilienmarkt. In Zeiten des vorausgegangenen Häuserbooms in den USA hatten Banken massenhaft Kredite an Menschen vergeben, die sich diese eigentlich nicht leisten konnten. Sanio sagt: "Als die Gier immer größer wurde, hätten sie doch gerne noch dem letzten Obdachlosen Kredite vergeben." Weil die Banken die Kredite in Wertpapieren bündelten und an Investoren verkauften, wurden sie weltweit am Kapitalmarkt verteilt.

Die Ratingagenturen bewerteten die hypothekenbesicherten Papiere lange mit der Bestnote AAA als solide Anlagen. Heute ist klar, dass vieler dieser Kredite niemals zurückgezahlt werden. Schon während des Skandals um den US-Energiekonzern Enron Ende 2001 hatten die Ratingagenturen nicht gut ausgesehen. Jahrelang hatten sie die Kreditwürdigkeit von Enron mit Topnoten bewertet - selbst noch fünf Tage vor der Pleite eines der größten Konzerne der USA. Waren dann nicht die Banker oder die Bankaufsicht schuld, weil sie Ratingagenturen wie Fitch, Moodys oder Standard & Poors glaubten?

"Ich bin selbst fassungslos", sagt Sanio "und es fuchst mich." Schließlich sei er eigentlich als "harter Hund" bekannt, so der 62-Jährige. Direkt nach seinem Jurastudium ging er in die Finanzaufsicht. Er deckte etwa bei der Westdeutschen Landesbank (WestLB) schwere Mängel bei der Kontrolle von Risiken auf. Aber nun habe er hin und her überlegt, und er sei auf nichts gekommen, was er übersehen haben könnte: "Das spielte sich auf dem US-Markt ab." Natürlich habe man vor der US-Immobilienblase gewarnt. Doch die amerikanischen Kollegen hätten immer erklärt, alles sei unter Kontrolle. Heute wissen alle, das war es nicht.

"Am besten wäre es, wenn es ein globales Regulierungsgremium geben würde", meint Sanio nun. Dieses müsse das Recht bekommen, "zu jeder passenden Gelegenheit" Prüfer in die Ratingagenturen zu schicken. Die könnten dann zum Beispiel klären, nach welchen Kriterien die Risiken von Finanzprodukten beurteilt würden.

Für realistisch hält der Aufseher das weltweite Prüfsystem allerdings nicht. "Drei amerikanische Ratingagenturen beherrschen den Markt, da erwarte ich nicht, dass die US-Amerikaner die Idee einer globalen Aufsicht, bei der sie vergleichsweise wenig zu sagen haben, gut finden."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.