Sinkende Bio-Umsätze: Basic ohne Instinkt

Während der Biogesamtmarkt weiter boomt, sucht Basic nach dem Scheitern des Lidl-Einstiegs noch immer nach einem neuen Investor - und die Kunden kommen nur langsam zurück.

Basic-Bio-Fleisch, liebevoll arrangiert: Doch die Kundschaft zögert Bild: dpa

Der Biomarkt in Deutschland boomt weiter. Vor dem jährlichen Schaulaufen auf der Branchenmesse Biofach, die in drei Wochen in Nürnberg beginnt, überschlagen sich die positiven Meldungen. Insgesamt 81 neue Biosupermärkte öffneten 2007 ihre Pforten, der Umsatz mit Ökoprodukten stieg um 15 Prozent auf rund 5 Milliarden Euro. Und das soll so bleiben. "Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass sich das starke Wachstum 2008 fortsetzt", sagt Alexander Gerber vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).

Auch die Biosupermarktkette Basic, Nummer zwei auf dem deutschen Markt, will endlich wieder positive Schlagzeilen machen. Seit im Juli bekannt geworden war, dass die Schwarz-Gruppe - Mutterkonzern des umstrittenen Discounters Lidl - zunächst ein knappes Viertel und später angeblich die Mehrheit übernehmen wollte, war bei Basic nichts mehr wie früher: Attac protestierte vor den Läden, Kundinnen und Kunden wanderten massenhaft ab, langjährige Lieferanten beendeten ihre Verträge. Nach vier Monaten gab die Biokette dem Druck nach, kündigte die Trennung von Schwarz an und entließ den Basic-Mitgründer und Kogeschäftsführer Johann Priemeier, der das Geschäft eingefädelt hatte.

Nach außen ist also wieder Ruhe eingekehrt. Die meisten der abgesprungenen Lieferanten, darunter der Großhändler Dennree, schicken wieder Ware. Auf den Pinnwänden in den Basic-Filialen diskutieren die KundInnen nicht mehr über Verbraucherboykotte oder Arbeits- und Lieferbedingungen bei Lidl. Jetzt loben sie dort den neuen Biolachsschinken oder fragen nach "Milchkaffee aus Sojamilch" und "Bionade in Literflaschen". "Basic hat dazugelernt", sagt der verbliebene Geschäftsführer Josef Spanrunft - zunächst erklärter Befürworter, später entschiedener Gegner des Lidl-Einstiegs. "Und die Kunden kaufen wieder ein."

Hinter den Kulissen ist die Krise jedoch keineswegs vorbei. Während der Basic-Vorstand darauf beharrt, dass sich die Zahlen wieder normalisiert haben, berichten andere Quellen, dass die flächenbezogenen Umsätze zum Jahresende zwar nicht mehr ganz so schlecht waren wie im Sommer, aber immer noch fast 10 Prozent unter den Vorjahreswerten lagen. Um eine finanzielle Krise abzuwenden, habe die Schwarz-Gruppe darum noch einmal mehrere Millionen nachschießen müssen, als der Ausstieg längst beschlossen war.

Denn trotz der verkündeten Trennung ist Lidl nach wie vor bei Basic im Boot. Den 23-Prozent-Anteil, den die Schwarz-Gruppe im Juli übernommen hat, besitzt sie auch heute noch. Die Suche nach einem neuen Investor, der das Aktienpaket übernimmt, gestaltet sich offenbar schwierig. Im November hatte Basic-Mitgründer und -Vorstandsmitglied Richard Müller noch von "fünf bis sechs Interessenten" gesprochen. Jetzt sagt er, es sei "nicht ganz einfach", Investoren für eine Minderheitsbeteiligung zu finden. Bei einem anderen Konzern aus der konventionellen Lebensmittelbranche - neben Schwarz soll im Sommer auch Tengelmann interessiert gewesen sein - befürchtet Basic ähnliche Kundenkritik wie bei Schwarz. Weil auch reine Finanzinvestoren nicht in Frage kommen, sucht Basic nun "ohne festes Zeitfenster" nach "Privatinvestoren, die zu uns passen", wie Vorstand Josef Spanrunft es ausdrückt.

Zusätzlich kompliziert ist der Verkauf, weil zwar Basic nach einem passenden Käufer sucht, doch Schwarz als Verkäufer ebenfalls mitredet - und Bedingungen stellt. "Wir erwarten nicht, dass wir für unseren Anteil so viel bekommen, wie wir bezahlt haben, denn der gezahlte Preis hat unsere Erwartungen auf die Zukunft reflektiert", sagt Schwarz-Manager Walter Pötter. Darum fordert das Unternehmen einen so genannten Nachbesserungsschein, der eine Beteiligung an späteren Basic-Gewinnen garantieren würde.

Während die Lidl-Schwarz-Gruppe generell als äußerst verschlossen gilt, äußerte sich Pötter - er ist Lidl-Aufsichtrat und Mitglied der Schwarz Unternehmenstreuhand KG, die als Schaltzentrale der Gruppe gilt - gegenüber der taz erstmals ausführlich zum Basic-Einstieg. Dass die Basic-Gründer nun versuchen, die Schuld am misslungenen Einstieg auf Lidl zu schieben, empört den Manager. "Es ist unverschämt, uns zum Sündenbock zu machen. Schließlich sind nicht wir auf Basic zugegangen, sondern die brauchten Geld und haben händeringend nach einem Investor gesucht."

Als die Schwarz-Gruppe schließlich eine Minderheitsbeteiligung zugesagt habe, sei auch der Basic-Gründer Georg Schweisfurth zunächst einverstanden gewesen - und wollte Mitglied des Vorstands werden, berichtet Pötter. "Erst als er keine derartige Zusage bekommen hat, ist Schweisfurth zum Anführer der Lidl-Kritiker geworden." Schweisfurth weist diese Darstellung zurück und geht von einem "Missverständnis" aus. Er sei immer gegen den Lidl-Einstieg gewesen und habe erst später, als Lidl wieder aussteigen sollte, eine Vorstandstätigkeit angeboten. Inzwischen ist er als Mitglied in den Basic-Aufsichtsrat nachgerückt.

Lidl-Manager Pötter bestreitet auch, dass die Schwarz-Gruppe jemals eine Mehrheitsbeteiligung bei Basic angestrebt habe. "Diese Information ist von anderen gestreut worden - vermutlich weil viele gern zu einem guten Preis an uns verkauft hätten." Basic-Vorstand Josef Spanrunft bestätigte auf Anfrage zumindest, dass das Übernahmeangebot "nicht unmittelbar" von der Schwarz-Gruppe gekommen sei.

Basics Exchef Johann Priemeier ist ebenfalls sauer auf seine ehemaligen Freunde Georg Schweisfurth und Richard Müller, mit denen er die Biokette vor über zehn Jahren gegründet hat. Während die drei Pioniere der Branche lange einig waren, dass Bio expandieren und aus seiner Nische rausmüsse, haben sie sich über das Tempo des Wachstums und die richtigen Partner zerstritten - und tragen damit einen Konflikt aus, der momentan die ganze Branche prägt. Mittlerweile streitet Priemeyer vor Gericht gegen seine Kündigung - die nicht inhaltlich begründet sein soll, sondern mit Vorwürfen wie einem auf Firmenkosten verschickten Privatbrief.

Während der amtierende Basic-Vorstand Spanrunft die Umstände der Entlassung und den Stand des Verfahrens nicht kommentieren will, macht Priemeier gegenüber der taz aus seiner Wut keinen Hehl: "So etwas kann ich nicht auf mir sitzen lassen", sagt der Exchef. Bis heute gehören ihm rund 30 Prozent der Basic-Aktien, und obwohl er im Unternehmen nun Hausverbot hat, will er diese behalten.

Ob die Probleme von Basic ein Sonderfall sind oder symptomatisch für die Branche, darüber gehen die Ansichten auseinander. BÖLW-Geschäftsführer Alexander Gerber geht davon aus, dass es durch den Bioboom generell leichter geworden sei, von Banken Kredite für einzelne Bioläden zu bekommen. Schwieriger sei die Lage bei Filialisten mit geringem Eigenkapital und hohem Investitionsvolumen. Auch Christoph Lützel, Sprecher der ökologisch orientierten GLS-Bank, sieht kaum Probleme: "Wir finanzieren viele Neugründungen und Vergrößerungen. Wenn die Lage gut ist, gibt es meistens eine Zusage." 2007 habe sich das Kreditvolumen der GLS-Bank im Biohandel um 50 Prozent auf 36 Millionen Euro gesteigert. Auch der Branchendienst Bio-Markt.info berichtet, dass die Mehrzahl der 81 Biosupermärkte, die 2007 eröffnet wurden, von Inhabern selbst geführt wurden; nur 37 waren neue Filialen von Ketten, darunter 31 der acht größten Anbieter.

Eine anderes Bild zeichnet das Fachhandelsbarometer Naturkost, das regelmäßig die Situation kleinerer Bioläden und inhabergeführter Biosupermärkte analysiert. Hier seien die Umsätze 2007 nur um gut 3 Prozent gestiegen, berichtet Herausgeber Horst Hartmann. Bei 36 Prozent der Geschäfte seien die Umsätze sogar zurückgegangen. Betroffen sind überwiegend kleine Läden.

Ebenfalls skeptisch schätzt Thomas Roeb den Markt ein. Der Handelsexperte von der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg, der Discounter und Biobranche seit Jahren beobachtet, sieht langfristig keine Chancen für allein wirtschaftende Biomärkte. "Die Margen sind zu gering für kleine Krauter." Zwischen dem preiswerten Bioangebot der konventionellen Lebensmittelmärkte - hier findet der Großteil des Biowachstums statt - und den wachsenden Bioketten werde der Markt eng. Selbst scheinbar große Ketten seien noch zu klein. "Sowohl Basic als auch Erdkorn suchen nach Investoren", berichtet Roeb.

Keine Probleme haben hingegen offenbar die Anbieter Alnatura und "denns bio", Nummer eins bzw. drei auf dem deutschen Markt. Anders als Basic und andere Ketten machen sie den überwiegenden Teil ihres Umsatzes allerdings auch nicht in den eigenen Biomärkten, sondern als Großhändler. Marktführer Alnatura beliefert unter anderem alle dm-Drogerien und kann die Expansion darum aus eigenen Gewinnen finanzieren, wie Sprecherin Stefanie Neumann berichtet. Hinter denns bio steht der Großhändler Dennree, der als deutscher Marktführer mehr als 1.000 Einzelkunden - und den Konkurrenten Basic - beliefert. "Im Großhandel werden die meisten Gewinne abgeschöpft", sagt Marktbeobachter Roeb. "Darum werden langfristig viele unabhängige Bioläden von Alnatura oder Dennree geschluckt werden - oder schließen."

Gerüchte, dass erste Filialen, etwa in Münster, schon zum Verkauf stehen, dementiert Basic. "Wir ziehen uns nirgends zurück", sagt Miteigner Schweisfurth. Ganz im Gegenteil sollen auch in diesem Jahr neue Märkte eröffnet werden. Nicht 50, wie nach dem Schwarz-Einstieg verkündet, aber 5 bis 10 wie in den vergangenen Jahren. Einige Standorte für vorgesehene Märkte hat Basic allerdings schon an die Konkurrenz weitergereicht: Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg eröffnet im März statt eines ursprünglich geplanten Basic-Marktes eine neue Alnatura-Filiale.

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