Wirtschaftliche Ungleichheit wächst: Die Mittelschicht ist angeschmiert

In Deutschland wächst laut einer DIW-Studie die Kluft zwischen Reich und Arm. Und der Staat fördert die Ungleichheit mit neuen Steuergesetzen noch.

Eine kleine Elite wird immer reicher, der Rest immer ärmer. Bild: ap

Die Deutschen werden immer reicher: Die privaten Haushalte verfügten 2007 über ein Nettovermögen von insgesamt 6,6 Billionen Euro. Doch davon haben viele Bundesbürger nichts. Denn auch die Schere zwischen den Eliten und den Normalbürgern öffnet sich stets weiter. Das ergibt sich aus einer neuen Langzeitstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

In konkreten Zahlen: Das reichste Prozent der Bundesbürger besitzt 23 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland. Die obersten 5 Prozent verfügen über 46 Prozent - und die reichsten 10 Prozent kontrollieren 61,1 Prozent des Vermögens. Damit hat die Ungleichheit weiter zugenommen. Bei der letzten Erhebung 2002 verfügte das oberste Zehntel erst über 57,9 Prozent des Gesamtbesitzes.

Für die Mehrheit bleibt da nicht mehr viel übrig. So besitzen zwei Drittel der Bevölkerung nichts oder nur sehr wenig. Und die unteren 70 Prozent kommen noch nicht einmal auf 9 Prozent vom Gesamtvermögen - 1,5 Prozent weniger als 2002. Auch die Mittelschicht hat verloren.

Dieser Befund lässt sich auch anders ausdrücken. Würde man alle Bundesbürger nach ihrem Vermögen in einer Reihe aufstellen, dann würde jener Mensch, der genau in der Mitte steht, über 15.000 Euro verfügen. Das ist der sogenannte "Median", der angibt, welche Summe die reiche Hälfte der Bevölkerung von der ärmeren trennt.

Besonders in Ostdeutschland verarmt die Bevölkerung. Denn der Wert der Häuser sinkt dort; gleichzeitig führt die hohe Arbeitslosigkeit dazu, dass viele ihr Erspartes anzapfen müssen. Konkret hat das Vermögen in Ostdeutschland seit 2002 um knapp 10 Prozent abgenommen. Berücksichtigt man auch noch die Inflation, dann ist dass Vermögen in Ostdeutschland sogar um 17 Prozent geschrumpft.

Der Staat trägt nicht dazu bei, die Vermögensverteilung gerechter zu machen. Im Gegenteil. "Erbschaftssteuerreform und Abgeltungssteuer fördern die Ungleichheit", stellt das DIW fest. Denn mit der neuen Abgeltungssteuer werden Kapitalerträge ab 2009 nur noch mit einem Pauschalsatz von 25 Prozent besteuert - bisher wurde der individuelle Steuersatz angesetzt, der inklusive Reichensteuer maximal 45 Prozent betragen konnte. Gerade Vermögende sparen also jetzt bei der Steuer. Und bei der Erbschaftssteuer gilt ab 2009, dass Betriebsvermögen faktisch ausgenommen ist.

Die DIW-Studie basiert auf den Zahlen des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP), das jährlich 23.000 Personen, die älter als 16 Jahre sind, befragt. Berücksichtigt wurden Geld- und Sachvermögen - ob es nun Aktien, Immobilien, Gold oder wertvolle Sammlungen sind. Kraftfahrzeuge und Hausrat wurden allerdings nicht erfasst. Auch die Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung fehlen, weil sie sich kaum bewerten lassen. Das führt zu leichten statistischen Verzerrungen, weil Selbstständige und Gutverdiener dazu neigen, privat fürs Alter vorzusorgen - und dies bei ihrem Gesamtvermögen berücksichtigt ist. Die Kluft zwischen den Reichen und Normalverdienern ist also etwas kleiner, als es in der Studie erscheint.

Die SOEP-Zahlen stammen von 2007, was eine spannende Frage offen lässt: Wie hat sich die Finanzkrise ausgewirkt? Dazu gibt es erste Schätzungen von der Allianz. 2008 sei das Geldvermögen der Deutschen um 2,5 Prozent gesunken. Konkret hätten sie 110 Milliarden Euro verloren. In der Dotcom-Krise hatte es die Vermögenden weniger hart getroffen: 2002 mussten sie nur ein Minus von 1,0 Prozent verbuchen. Vor allem die Aktienbesitzer mussten diesmal Verluste hinnehmen. Der DAX fiel 2008 um 40 Prozent.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.