Attac-Demo in Liechtenstein: "Die Nerven liegen blank"

Attac-Aktivisten protestierten mitten in Vaduz gegen die Steueroase. Einige Liechtensteiner zerissen daraufhin Attac-Transparente und schwenkten die Landesfahne.

Attac-Mitglieder protestieren - hier in Berlin - gegen Steuerparadiese. Bild: dpa

VADUZ taz Es war keine große Demonstration, die am Samstag durch Liechtenstein zog - aber "die erste seit sehr langer Zeit", sagte ein Polizeisprecher. Rund 25 Attac-Aktivisten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich protestierten im Zentrum von Vaduz gegen die Steueroase Liechtenstein. Sie forderten ein verstärktes Vorgehen gegen Steueroasen inner- und außerhalb der Europäischen Union sowie Sanktionen gegen Länder, die sich weigern, bei der Bekämpfung der Steuerflucht zu kooperieren. "Es ist untragbar, dass einigen Eliten und Großfirmen Strukturen zur Verfügung gestellt werden, mit deren Hilfe sie der Gesellschaft ihren Beitrag vorenthalten können", sagte Roman Kuenzler, Steuerfachmann von Attac Schweiz.

Während sich nach Angaben der Veranstalter zwei Liechtensteiner spontan der Demonstration anschlossen, war die generelle Reaktion ablehnend bis feindselig. Rund 100 vorwiegend junge Liechtensteiner stellten sich den Finanzplatzkritikern entgegen. Sie schwenkten blau-rote Landesfahnen, beschimpften die Demonstranten und zerrissen ein Transparent. Zu Tätlichkeiten gegen Personen kam es nicht, sodass die Polizei sich im Hintergrund hielt.

Dennoch waren die Veranstalter zufrieden. Es sei zu interessanten Gesprächen mit Einheimischen gekommen, berichtet Sven Giegold von Attac Deutschland. Einige hätten zugehört, andere hätten den Finanzplatz verteidigt. Schockiert zeigte sich Giegold über "so viel Reichtum und Banken auf einem Platz".

Dass man eine dicke Haut braucht, um die Auswüchse des Finanzplatzes Liechtenstein zu kritisieren, erfahren auch die wenigen Einheimischen, die sich öffentlich geäußert hatten. "Ich bekam unflätige Worte zu hören, und gleichzeitig wurde mir die Auswanderung empfohlen", sagt Michael Heinzel. Der 47-jährige Buchhändler aus Mauren hatte in einem Leserbrief Kritik geübt. Nicht viel besser ist es den drei Abgeordneten der oppositionellen Freien Liste (FL) ergangen, die sich die Freiheit herausgenommen hatten, nicht mit der großen Mehrheit der Liechtensteiner Bevölkerung in den Chor der Entrüstung über das böse Deutschland einzustimmen. Prompt wurden sie als "Landesverräter" und Nestbeschmutzer gebrandmarkt und mussten sich in aller Öffentlichkeit wüsteste Beschimpfungen gefallen lassen. "Bei vielen Liechtensteinern liegen zurzeit die Nerven blank", sagt der FL-Abegortnete Paul Vogt. Vielfach sei die Stimmung verbreitet, das Land habe nur "die Wahl zwischen ethisch problematischen Geschäften und Reichtum - oder Ehrlichkeit und Armut". Dabei habe der Finanzplatz nur dann eine Zukunft, wenn er sich gegenüber berechtigten Forderungen nicht verschließe und die notwendigen Reformen angehe.

Auch die Kirche hat sich kritisch zu Wort gemeldet. Der Generalvikar des Erzbistums Vaduz, Markus Walser, sieht in der Steuerhinterziehung in Liechtenstein einen Verstoß gegen das Gebot "Du sollst nicht stehlen". Auch Markus Kellenberger, der katholische Pfarrer von Vaduz, sprach in einer Predigt Klartext. Er warnte vor einem Tanz um das goldene Kalb und bezeichnete die Banker als falsche Priester und die Treuhänder als ihre Ministranten. Die Worte des Pfarrers, der das reiche Land demnächst verlassen und eine neue Aufgabe in einem Drittweltland antreten wird, blieben in der Öffentlichkeit weitgehend ungehört. Die große Mehrheit der 35.000 Einwohner hat sich in die Wagenburg zurückgezogen - in der Hoffnung, das Gewitter werde schnell vorbeiziehen und den Geldgeschäften nicht allzu schweren Schaden zufügen.

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