Stadt kauft Stromnetz zurück: Energiekonzern raus, Ökostrom rein

Die Stadt Wolfhagen hat sich aus dem Würgegriff des Energiekonzerns Eon befreit und ihr Stromnetz zurückgekauft. Nachbargemeinden wollen folgen.

100 Prozent reiner Ökostrom - da geht die Sonne auf. Bild: dpa

WOLFHAGEN taz "Wer das Netz hat, kann selbst bestimmen!" Der Diplomingenieur Martin Rühl, Geschäftsführer der Stadtwerke Wolfhagen, hat das Netz. Das Strom- und Wegenetz, jedenfalls das kommunale. Die Stadt hat es nach Ablauf des vor 20 Jahren abgeschlossenen Konzessionsvertrages vom Energiekonzern Eon zurückgekauft. Ein Beispiel, das Schule machen könnte. Denn die Stadt Wolfhagen fordert jetzt alle Kommunen in der Region auf, das Energieversorgungsnetz ihrer Städte und Gemeinden wieder selbst zu übernehmen. Allein in Nordhessen würden bis 2011 in mehr als 150 Kommunen die mehrheitlich mit Eon abgeschlossenen Konzessionsverträge auslaufen. "Die Kommunen müssen erkennen, dass sie mit den Konzessionsverträgen über ein scharfes Schwert verfügen, mit dem sie sich gegen die Willkür der Energieriesen wehren können", warb Rühl bei einer Veranstaltung für Bürgermeister und Stadträte in Wolfhagen.

Dies haben sich offenbar weitere Kommunen der Region zu Herzen genommen. Allein im Kreis Kassel wolle rund die Hälfte der 29 Städte und Gemeinden ihre Verträge mit Eon kündigen, schätzte Vizelandrat Uwe Schmidt (SPD) in der Frankfurter Rundschau.

Problematisch beim Rückkauf könnte allerdings der Preis werden. Die Konzerne versuchten, die Preise in die Höhe zu treiben, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer. Die Kommunen aber hätten ein Recht auf Rückkauf. Bei überhöhten Forderungen empfiehlt Scheer den Gang zu den Gerichten. Dann werde es "erheblich billiger". Wolfhagen hat 2,4 Millionen Euro an Eon bezahlt "unter Vorbehalt".

Wolfhagen hat nicht nur Eon vertrieben, sonder steigt auch auf sauberen Strom um. Der Strom für die gesamte Gemeinde Wolfhagen soll demnächst ausschließlich von einem Wasserkraftwerk in Österreich produziert wird. "Zu 100 Prozent reiner Ökostrom, hergestellt ohne jeden Ausstoß klimaschädlicher Gase", freute sich Rühl.

Was ihn und den parteilosen Bürgermeister Reinhard Schaake aber noch ärgert: dass der Strom aus den Alpen nur über das Übertragungsnetz nach Wolfhagen gelangen kann. Das nämlich gehört nicht der Kommune, sondern den Giganten der Energiebranche. Das Geld für die Nutzung verteure den Strom und fließe in die Kassen der Konzerne, von denen man sich in Wolfhagen doch gerne vollständig unabhängig machen möchte. Rühl weiß auch schon wie: Einen Windpark will er auf den Höhen des Habichtswaldes bei Wolfhagen errichten lassen, um die Gemeinde demnächst autark mit Ökostrom aus Windkraft versorgen zu können. Schließlich hätten Messungen ergeben, "dass dort oben Küstenbedingungen herrschen". Nach Berechnungen der Stadtwerke genügen drei große Windräder mit einer Laufzeit von 3.000 Stunden pro Jahr für die Vollversorgung aller Haushalte. Der Windpark soll ein Bürgerbeteiligungsprojekt werden. Die Initiatoren erhoffen sich so eine größere Akzeptanz der Windräder in der Bevölkerung.

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