Mitarbeiterbeteiligungen: Es geht fast immer schief

Nach einer Insolvenz bringen Mitarbeiterbeteiligungen an Unternehmen nicht immer den erhofften wirtschaftlichen Erfolg.

Bei Photo Porst scheiterte das Experiment der "totalen Mitbestimmung". Bild: dpa

BERLIN taz Viele Wirtschaftswissenschaftler warnen davor, dass sich Mitarbeiter an dem Unternehmen beteiligen, in dem sie arbeiten. Vor allem bei Firmen, die in einer Krise steckten, geht das fast immer schief, hat Johann Eekhoff von der Universität Köln beobachtet. Im Fall von Opel hält er eine solche Idee deshalb für "abwegig". Schließlich müssten die Beschäftigten bei einem Unternehmen in Schieflage nicht nur um ihre Jobs bangen, sondern auch noch um ihre finanziellen Rücklagen. "Gut funktionieren kann das nur bei stabilen, kleineren Unternehmen, wo die Mitarbeiter über die wirtschaftliche Lage Bescheid wissen und es ein klares Geschäftsmodell gibt", fasst der Ökonomieprofessor zusammen. In Deutschland sind Beschäftigte in etwa zwei Prozent der Unternehmen am Vermögen beteiligt.

Nach dem Ende der DDR versuchten eine ganze Reihe von Belegschaften, ihre Betriebe selbst weiterzuführen. "Studien belegen, dass Unternehmen in Übergangsgesellschaften bessere Überlebenschancen hatten, wenn sie von externen Managern geführt wurden, als von den Mitarbeitern", sagt Erich Fasten von der Humboldt-Universität zu Berlin. Um aber solch eine Option zu haben, braucht man einen Geldgeber - der fehlt nicht selten. Insofern entsteht die Idee, die Geschäfte gemeinsam zu führen, meist aus einer Zwangslage - anders als bei Kollektivbetrieben und Genossenschaften, wo das gemeinsame Risiko von Anfang an Teil des Konzepts ist.

Ein Beispiel für eine Unternehmensübernahme aus der Not heraus ist "Strike Bike" in Nordhausen. 4.000 Leute hatten an dem Standort im Motorenkombinat bis zum Ende der DDR gearbeitet. Nach und nach wurde alles abgewickelt, und im Juni 2007 sollte als letztes die Fahrradproduktion stillgelegt werden. Aus Wut über einen fehlenden Sozialplan besetzten die letzten Beschäftigten 115 Tage lang das Gelände, danach versuchten 21 von ihnen, den Betrieb weiterzuführen. Doch ein wichtiger Auftrag fehlte plötzlich - die Folgen waren fatal: Nun gibt es nur noch zwei Festangestellte und vier geringfügig Beschäftigte. "Wir müssen in eine kleinere Immobilie umziehen", berichtet André Kegel, der zusammen mit einem Kollegen das finanzielle Risiko übernahm. Dagegen läuft die Mitarbeiterbeteiligung bei Sorpetaler Fensterbau in ruhigen Bahnen. Etwa drei Viertel der 60 Beschäftigten sind mit kleineren oder größeren Beträgen am Unternehmen beteiligt. Genau wie der Chef haben sie sogenannte Genussrechte erworben. Wenn das Unternehmen Gewinne erwirtschaftet, bekommen sie einen Teil davon - wenn es Verluste macht, wird das gemeinsame Eigenkapital angeknabbert.

"Die arbeitsrechtliche und die gesellschaftsrechtliche Seite sind bei uns vollständig getrennt", so Chef Eduard Appelhans. Nicht nur die Löhne werden unabhängig vom Unternehmenserfolg ausbezahlt. Auch bei Strategieentscheidungen oder Entlassungen haben die Beschäftigten nicht mehr Mitspracherechte als anderswo. Dennoch ist die Betriebsratsvorsitzende Regina Kraus zufrieden: "Bei uns ist die Motivation groß, alles dafür zu tun, dass es gut läuft." Für die Firma zahlt sich das Konzept ebenfalls aus: Trotz der Krise in der Branche kann sie kräftig investieren, weil sie unabhängiger von Banken ist als die Konkurrenz.

Eher skurril wirkt die Geschichte von Photo Porst, wo der früher für die FDP und zugleich auch für die SED engagierte Hannsheinz Porst 1972 die "totale Mitbestimmung" einführte, bei der die Belegschaft ab 1978 auch ihre Chefs selbst wählen durfte. Das ging bald schief und ein Schweizer Investor machte der Basisdemokratie den Garaus.

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